Die Welt ist gut und gerecht
Ja, wir jammern, und
wir jammern immer. Dabei geht es uns doch so gut. Gemessen an anderen
Zuständen, geht es uns wirklich gut. Wir jammern also wie immer auf hohem
Niveau. Schuld daran ist ganz eindeutig nur eines, es geht uns zu gut.
Neulich, und nicht nur neulich, sondern laufend geschieht
dies. Deshalb könnte man es rein grammatikalisch in der Gegenwart, der
Vergangenheit und der Zukunft erzählen, weil sich daran ja auch nichts ändert,
denn wir sind Meister des Jammerns. Deshalb wurde hierbei die Mitvergangenheit
gewählt, auf dass die Dramatik nicht zu sehr beschämt, aber dennoch der Ernst
der Situation jedem einleuchten muss, der noch das Mindestmaß an mentaler Kraft
sein eigen nennt. Neulich also im Wohnzimmer der Familie Brückenschlag, wobei
nomen nicht omen ist, kann der Satz gehört worden sein, „Also, es ist schon
schlimm mit der Globalisierung“. Vermutlich kam der Satz vom Familienoberhaupt,
aber so genau weiß man es dann doch nicht, deshalb lassen wir diesen Punkt
offen. Es ändert nichts. Besagtes Familienoberhaupt saß vor dem Fernseher. Das
Abendessen ward gegessen und der Körper auf Verdauungsmodus eingestellt, als
zwischen News aus der Welt und den Fußballergebnissen, also in der strategisch
äußerst günstig platzierten Werbepause, eben jener folgenschwere Satz ertönte.
Im Hause war es momentan still, denn man gedachte wohl in aller Stille all der
Globalisierungsopfer, derer man erinnerlich wurde, was bedeutete, dass zwei
Sekunden später die viel gravierendere Frage gestellt wurde, ob denn noch ein
Bier im Kühlschrank wäre. Beschämt musste daraufhin die Hausfrau eingestehen,
dass dies nicht der Fall wäre, so dass nun wieder über die wirklich wichtigen
Dinge gesprochen wurde. Doch man hatte seine Menschenpflicht erfüllt und auch
daran gedacht, dass es schlecht ist in der Welt. Dann kehrte man zurück zur
Tagesordnung. Aber warum ist das möglich? Weil es uns gut geht. Der Staat, der
sorgt für uns und verteilt seine Meriten gerecht. Oder was bitte sollte daran
ungerecht sein, dass Familien die größte Steuerlast tragen? Nutzen sie doch
auch am meisten ab. Die Straßen, die Schulen, die Kindergärten, die
Universitäten, die Arbeitsplätze. Niemand nimmt so viel öffentliche
Infrastruktur in Beschlag wie Familien. Oder haben Sie vielleicht schon mal
einen Pensionisten auf einer Schaukel am Kinderspielplatz gesehen? Natürlich
nicht. Die werden doch regelmäßig nur von Kinderhintern abgewetzt. Gerecht ist
es, denn der Staat, der Papa, wie wir ihn zutreffend nennen, ist gerecht und
liebt alle seine Kinder gleichermaßen, aber deshalb sieht er auch, dass seine
Kinder verschiedene Bedürfnisse haben. So ist er gezwungen von den Arbeitenden
in der Realwirtschaft mehr Steuern zu erheben als vom Kapitalertrag, denn
schließlich hat noch kein Kapital einen Kilometer, ja nicht einmal einen Meter
Autobahn frequentiert. Außer, wenn es verbracht wird, aber das muss es jetzt
nicht mehr, denn das Geld wird sich bald gänzlich auflösen und nur mehr als
Buchgeld aufscheinen, hübsche kleine Zahlen, die sich auf virtuellen Autobahnen
bewegen, aber dafür braucht es nicht einmal eine Vignette. Es ist nur gerecht,
dass das Kapital von einigen wenigen besessen wird, denn die können offenbar
darauf aufpassen. Man hat es ja schließlich probiert. Da gab man den Menschen
Geld um zu sehen, was würden sie damit machen. Und was machten sie? Sie gaben
es sofort aus. Für Lebensmittel, Heizmaterial, Miete und Bekleidung. So
uneinsichtig sind sie. Da kann man doch nicht verlangen ihnen mehr zu geben.
Nein, man gäbe es denen, die es horten und für diese Last der Verantwortung,
aber auch des sorgfältigen Umganges, ist es doch nur legitim, dass sie Zinsen
kassieren. Manchmal landet der eine oder andere auf der Straße, auch Kinder,
wie behauptet wird, doch das sind Kollateralschäden, die nicht weiter ins
Gewicht fallen, und gerade die Funktionsfähigkeit des Systems zeigen, nicht das
Gegenteil. Gut geht es uns, und gerecht geht es zu, und wer etwas anderes
behauptet, dem geht es sogar zu gut, denn er verfügt über den Luxus so viel
Zeit zu haben um zu lamentieren. Nicht das System ist ungerecht, sondern die
Menschen, die nicht in die Lobeshymnen miteinfallen, die immer noch nicht
sehen, wie gut es ihnen geht.
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