Es muss mehr konsumiert werden
Die Menschen werden aufmüpfig. Manche fangen an zu lesen,
Texte, die neben den Bildern stehen, die sie sich bisher ansahen. Aber nicht
nur, dass sie sie lesen. Das wäre noch nicht das größte Problem. Sie lesen und
machen sich Gedanken über das Gelesene. Vielleicht verstehen sie zunächst
nicht, doch das kommt dann leider, und zuletzt, dann hinterfragen sie. Denn
irgendwann entdecken sie, dass sie einen eigenen Verstand haben, den sie
benutzen können. Sie entdecken eine weitere Funktion als die einen Hut darauf
zu setzen oder eine Haarspange anzubringen oder ein schickes Stirnband. Wenn
sie den Hut abnehmen oder die Haarspange oder das Stirnband, dann bleibt der
Kopf was er vorher war. Durchaus brauchbar. Auch ohne ihn gekauften Sachen zu
verzieren. Und wenn sie das erst entdeckt haben, dann ist es kein weiter Weg
mehr dorthin, dass sie nicht nur fremder Leute Gedanken kritisieren können,
nein, sie können auch selbst welche entwickeln. Diese selbsterdachten Gedanken,
die keine Reglementierung mehr kennen, weil sich immer wieder Leute
freischütteln davon, die wachsen, ungezähmt, wuchern, vermehren sich, wagen
sich immer weiter vor, und werden – ja man muss es so hart sagen – häretisch.
Da tauchen dann so Gedanken auf wie der, dass plötzlich der Güterüberfluss
nicht mehr glücklich macht, dass man vielleicht anderes braucht, wie Freunde
oder gemeinsames Erleben. Dagegen gäbe es prinzipiell nichts Einzuwenden, wenn
es nicht den fundamentalen Regeln widersprechen würde: All das sind Dinge, die
in der Anschaffung nichts kosten und auch durch Gebrauch nicht kaputt gehen.
Das muss schleunigst unterbunden werden, denn sonst kommen die Menschen zu
einer Conclusio, die sie nie erreichen dürfen: Konsum ist auf weite Strecken
entbehrlich. Damit fiele das arbeitslose Einkommen weg und niemand könnte sich
mehr zurücklehnen und von den Dividenden leben. Bei einem eiligst einberufenen
Gipfel wurde die Lösung für dieses brisante Problem gefunden, und zwar die
einzig mögliche:
Wir müssen die Geschäfte rund um die Uhr, jeden Tag der
Woche, jeden Tag des Jahres offenhalten und damit den Menschen ermöglichen
immer zu konsumieren.
Denn wann kommen die Menschen auf die Idee nachzudenken?
Wenn sie nichts zu tun haben, d.h. wenn sie nicht beschäftigt werden. Sie gehen
arbeiten um sich den Konsum zu finanzieren und weil sie sich den Konsum
finanzieren können, tätigen sie diesen auch. Doch dann stehen sie vor
verschlossenen Türen. Hilflos stehen sie davor und kommen darauf, dass sie viel
zu viel Zeit haben. Und wer viel zu viel Zeit hat sieht sich um Alternativen um.
Das darf erst gar nicht passieren. Rund um die Uhr Entertainment, Shopping-Freuden
und das ganze mit dem gehörigen Pfiff an Abenteuer. Die Menschen müssen
beschäftigt werden. Tag und Nacht. Und wenn sie nicht gerade konsumieren, dann
müssen sie über den Konsum reden, müssen davon träumen was sie nicht alles
konsumieren könnten. Deshalb müssen ständig neue Produkte auf den Markt kommen.
Nicht alle zwei Jahre, nicht jedes Jahr, nein, jedes Monat sollte ein neues
Handy da sein, und damit sind sie brav wieder in der Endlosschleife von Arbeit
und Konsum, so dass sie wie der Hamster im Rad von einem zum anderen laufen,
dass sie keine Ruhe haben um nach links oder rechts zu schauen. Und wer aus dem
Rad hinausfällt, der wird bemitleidet. Aber es kommt die Angst, dass man selbst
hinausfallen könnte, und so werden sie nur desto fleißiger laufen. Alle Gefahr
ist ein für alle mal gebannt.
Deshalb wagt die mustergültigste aller mustergültigen Orte,
Mustermannshausen – nomen est oben – als erste den Vorstoß und gibt nicht nur
die Öffnungszeiten frei, nein, hier werden die Geschäftsinhaber gezwungen immer
offen zu haben, auf dass der Bürger brav und gelassen, und vor allem
gedankenlos bleibt.
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