Wenn die Kammer der Tiere tagt
Wieder
einmal findet die Tagung der Tierkammer statt, die traditionell ein großes Medieninteresse
hervorruft, dient sie doch unter anderem der Festlegung der Forderungen von
Seiten der Interessensvertretung der Tiere gegenüber deren der Nutzer, Halter
und Beschauer. Den Vorsitz führt wie immer die Ratte, der Kammerpräsident.
Ratte: Ich eröffne die interne Sitzung, und begrüße hiermit auch gleich alle
anwesenden Vertreter der verschiedenen Sektionen. Ich würde bitten diese
Sitzung zügig zu führen, da ich noch einige andere Gremien zu unterwandern
habe. Prägnanter ausgedrückt, ich stehe unter enormen Termindruck. Deshalb
schlage ich vor eine Vorgangsweise beizubehalten, die sich die letzten Jahre
ohne Weiteres bewährte und mit der sämtliche anwesende Vertreter immer
einverstanden waren und da lautet: Bei den Kollektivvertragsverhandlungen alle
zugestandenen Rechte, wie da wären Futtergabe und Platzangebot, nochmals um 10%
zu erhöhen. Die Gegenseite wird 2% bieten, und letztlich, nach ewig langen
Verhandlungen, die natürlich bis in die frühen Morgenstunden andauern, fällt
die Einigung bei 6%. Damit sind auch hier alle einverstanden. Damit ist die
Sitzung geschlossen.
Esel: Also dann verstehe ich aber nicht warum bis in die Morgenstunden
verhandelt wird, wenn das Ergebnis bereits von vornherein feststeht.
Ratte: Der Einwurf kann auch nur von Dir stammen, Esel. Aber bitte, ich bin
ja ein geduldiger Präsident und erkläre es nochmals. Damit es den Mitgliedern
gegenüber glaubhaft gemacht werden kann, wir hätten wirklich hart verhandelt
und das Beste für sie herausgeholt.
Esel: Und dem ist nicht so?
Ratte: Natürlich ist dem so. Deshalb gibt es ja die Kammer.
Eichhörnchen: Also wir, unsere Sektion, wir waren schon immer der Meinung, dass es
mehr Verdruss bringt als Positives. Wir führen sowieso schon so ein schweres
Leben, und dann das auch noch. 10% unserer versteckten Vorräte müssen wir
abgeben. Dabei finden wir auch nur 10%. Da müssen wir ja alles hergeben.
Ratte: Du mein Gott, 10% von den 10% nicht insgesamt. Aber ihr wisst eben
nicht zu schätzen was für außerordentlich gute Arbeit geleistet wird. Das muss
euch schon ein wenig was wert sein. Allein die Kollektivvertragsverhandlungen.
Sau:
Und was hat es mir gebracht? 10% mehr Platz im Wurfstall? Statt 0.75 m2 nunmehr
0,825 m2? Das ist grandios. Meine Mutter erzählte mir noch wie sie auf einer
Weide herumtollte mit ihren Kleinen, und dann das.
Ratte: Das ist, weil ihr die Erfolge nicht zu würdigen wisst. Jedes Jahr ein
wenig mehr. Man muss schließlich auch die Gegenseite verstehen. Man schlachtet
nicht den Bauern, der einen füttert.
Hirsch: Mir kann das alles egal sein. Ich bin schließlich der stattlichste
Hirsch im Revier, sagt mein Jäger.
Hase: Dir drückt Dein Geweih offenbar schwer aufs Hirn. Wie viel wiegt das
mit den zwölf Enden? Aber ob schön oder nicht, Du wirst ja auch nur gehegt und
gepflegt, weil Du eine gute Trophäe abgibst.
Hirsch: Nicht schön. Schön ist eine Blume. Stattlich, sieh nur, wie stattlich
ich bin. Ich werde nicht erlegt, wie Du Kleinkrabbler.
Hund: Für mich ist dieser ganze Karneval für die Katz. Ganz gleich was da
verhandelt wird, ich bekomme sowieso was ich will. Ich brauch nur mein Frauchen
entsprechend zu motivieren. Kann man übrigens alles nachlesen in meinem
Besteller „Wie erziehe ich meinen Menschen“.
Katze: Jetzt geht das schon wieder los! Du willst den Menschen erzogen haben?
Wie peinlich. Hechelnd, sabbernd, winselnd, unterwürfig, das seid ihr.
Karikaturen. Ich jedoch habe mir meine Freiheit erhalten, und bekomme dennoch
alles. Ich bin wahrhaft die Königin der Tiere. Aber in einem muss ich der
Dumpfbacke recht geben, ich brauch die Kammer auch nicht.
Nach dieser Wortmeldung brach ein heftiger
Tumult los, woraufhin die Vertreter der Presse den Raum verlassen mussten. Nur
einer freute sich. Der Esel, der nun endlich wieder auf die Weide gehen konnte.
Er hatte wohl noch einige Zeit an dem zu kauen, was er da zu hören bekommen
hatte.
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