Reformen ja, aber bitte net so gach
Wiederum wandert unser Blick weg von unserem kleinen,
heimeligen Örtchen in unsere wunderschöne Hauptstadt, nach Wien. Sehr vieles
ist im Umbruch begriffen. Die elektrisierende Spannung ist bis hierher, fernab
der Stadt Freuds, Nestroys, Kraus und wie sie alle heißen, spürbar. So viel
Veränderungs- und Reformwille wird spürbar, dass es schon beinahe Angst macht,
vor allem, wenn dieser Wille auch noch überschwappt auf den Rest des Landes,
und das, wo man sich als offizieller Vertreter der regierenden Schicht gerade
erst behaglich niedergelassen hat. Es ist natürlich noch nicht so weit, aber es
gilt die laufenden Veränderungen nicht aus dem Blick zu verlieren, um
nötigenfalls entsprechend rasch darauf reagieren zu können. Nicht, dass es
irgendeinen Plan gäbe wie zu reagieren wäre, im Falle des Falles, aber
schließlich muss es überhaupt einmal passieren, und man muss doch nicht immer
gleich das Schlimmste annehmen. Dennoch gilt es aufmerksam zu bleiben und die
Geschehnisse zu verfolgen. Die Ablösung Michael Spindeleggers durch Reinhold
Mitterlehner führte so bereits zu einem bedächtigen, aber durchaus sichtbaren
Kräuseln der Stirn und zu einem besorgten Seufzen, doch postwendend kam die
Entwarnung, denn ja, er wäre wohl für Reformen, so die bedächtige,
staatstragende Stimme des neu designierten Vizekanzlers, aber bitte net so gach
und vor allem nicht inhaltlich, denn die konservativen Kräfte orientieren sich
nach wie vor an der Vorgehensweise der römisch-katholischen Kirche, deren
Mühlen langsam mahlen, wie im gleichen Atemzug als Beispiel gebracht wurde. Und
das ist auch nachvollziehbar. Schließlich gilt es zu bedenken, dass ja die ÖVP
quasi erst gestern Regierungsverantwortung übernommen hat. Die bisherigen fast
30 Jahre kann man ja – gemessen an vatikanischen Zeitmessern – kaum als eine
ernstzunehmende Zeitspanne bezeichnen, und die paar Jahre, in denen sie den Kanzler
stellte, die reichten gerade mal aus sich von der geschlagenen Wahl zu erholen
und sich auf die nächste vorzubereiten. Und geschlagen war die Wahl im wahrsten
Sinne des Wortes, als sich Herr Schüssel vom dritten Platz auf den
Bundeskanzlerthron katapultierte, aber das ist ja im Vergleich zu anderem ewig
lange her. Ein Glück, dass zumindest der Wähler so ein kurzes Gedächtnis hat.
Dennoch darf nichts übers Knie gebrochen werden. Nach wie vor stehen die großen
Themen Schul- und Verwaltungsreform im Raum, aber es will wohlüberlegt sein.
Immerhin fand die letzte große Schulreform erst 1869 statt, also quasi
vorgestern.