Auf, auf zum „kollektiven Unsinn“
Natürlich mache ich auch mit. Schließlich will man ja nicht
aus der Reihe tanzen und es hat schon etwas Erleichterndes,[1]
wenn man brav und ruhig hinter dem Leitwidder herwandert, der da selbst wieder
dem Hirtenhund gehorcht und jener dem Hirten. Hierarchie im besten Sinne des
Wortes. Der einzige Unterschied zum menschlichen „kollektiven Unsinn“ ist die
schlichte Tatsache, dass der Hirt es mit seinen Schafen wirklich gut meint,
dass er sie auf die beste Weide führen will. Sein Ziel ist sicherlich auch,
dass er sie letztendlich so ertragreich wie möglich haben möchte, also gute
Wolle oder Milch, letztendlich das Fleisch. Der Hirte lebt von seinen Schafen.
Auch wir lassen uns scheren und melken, allerdings ohne auch nur einen Blick
auf die fettesten Weiden erhaschen zu dürfen. Dennoch folgen wir dem Ruf. Ich
auch. Es ist ja auch meine Bürgerpflicht. So habe ich es gelernt, und hoffe
noch immer darauf, dass meine Stimme einen echten Beitrag leistet, wozu auch
immer. Vage Hoffnung, immer wieder aufs Neue, dass Wahlversprechen mehr sind
als Versprecher und die Meinung, dass ich mich darauf verlassen kann, nicht zu
einem Verlassen-sein führt, auch wenn ich es schon längst besser wissen müsste.
Damals, als ich das erste Mal wählen ging, da hätte ich solche naiven Annahmen
noch irgendwie rechtfertigen können. Doch mittlerweile sind mehr als zwei
Jahrzehnte vergangen und viele, viele Wahlen mit ihnen, so dass ich es
eigentlich besser wissen müsste, vor allem nach der entlarvenden Aussage, dass
man im Wahlkampf eben viel redet.
In diesem Fall ist mit „kollektivem Unsinn“ sind die
Landtagswahlen gemeint. Seit Wochen lächeln mir die diversen Wahlwerberinnen
von mehr oder weniger gelungenen Plakaten entgegen, in denen in Kurzfassung
wiedergegeben wird wofür der oder die jeweilige steht. Herr Niessl meint lapidar,
dass man ihn wählen muss, wenn man ihn will. Na no na net, würde ich sagen. Das
hätte ich auch ohne Plakat gewusst. Oder Herrn Voves schärfster Kritiker ist er
selbst. Sofort fängt meine Phantasie zu arbeiten an, und ich sehe den Herrn
Landeshauptmann morgens vor dem Spiegel, wie er mit sich hadert. Stelle es aber
sofort wieder ab. Das ist so wenig seriös. Umso seriöser sind die
Wahlkampfthemen. So tritt für die Freiheitlichen die Tatsache in den
Mittelpunkt, dass ihre unschuldigen, wehrlosen Wahlplakate von bösen
Randalierern angegriffen wurden. Schwer verletzt haben sie die bösen Menschen.
Oder die Sache mit dem Uhudler. Das hätte ich sicher nicht verkraftet, wenn ich
nächstes Jahr den Uhudler, der verkauft werden darf, nicht trinken könnte. Wenn
ich ihn schon nicht trinke, dann zumindest weil ich die Wahl habe. Nur was die
Ausgaben für diesen „kollektiven Unsinn“ betrifft, da habe ich keine Wahl. Die
muss ich schlucken. Noch ein Kugelschreiber mehr, den ich nicht will, und
dennoch bezahlen muss – dabei sind das noch die billigen Parteispenden.
Arbeitszeit, die dahin geht, dass mir Wahlpropaganda ins Haus flattert, die ich
nicht will.
Aber in Österreich will man in kleinen, noch besser in
kleinsten Strukturen denken. Schließlich steht uns die schauderhafte Erinnerung
noch lebhaft vor Augen, als wir unbedingt wieder groß sein wollten, und sei es,
dass wir uns dem Deutschen Reich anschlössen. Mittlerweile haben wir
dazugelernt. „Small ist beautiful“, und nur als kleines Land behalten wir auf
der Insel der Weinseligen unseren Charme. Seitdem wird die Kleinheit
kultiviert, in Form von Landtagswahlen, die einen Landtag erfordern, den wir
wählen können, und das neun Mal.
„Kollektiver Unsinn“, weil ja bis nach Abschluss des
Wahlmarathons nichts Sinnvolles gearbeitet werden kann. Wien muss wählen, dann
fangen wir wieder an über dringendst notwendige Reformen nachzudenken. Im
Herbst findet das Spektakel statt. Bis dahin heißt es rennen um Stimmen und
Verstummen gegenüber den wichtigen Dingen. Denn wer in Österreich Veränderungen
durchführt, der muss damit rechnen dafür abgestraft zu werden. Wir werden sehen
ob das stimmt, heute Abend, wenn das Wahlergebnis der Steiermark bekannt
gegeben wird. Vielleicht stellen wir fest, dass der Österreicher doch nicht so
dumm ist, wie die Funktionäre meinen.
[1]
Zitiert nach Hans-Jörg Schelling aus einer Rede bei der Preisverleihung zum
besten KMU am 27. Mai 2015 in der Aula der Wissenschaften.