Sonntag, 4. Oktober 2015

Globalisierung, 04. Oktober 2015:


Die Welt ist gut und gerecht

Ja, wir jammern, und wir jammern immer. Dabei geht es uns doch so gut. Gemessen an anderen Zuständen, geht es uns wirklich gut. Wir jammern also wie immer auf hohem Niveau. Schuld daran ist ganz eindeutig nur eines, es geht uns zu gut.

Neulich, und nicht nur neulich, sondern laufend geschieht dies. Deshalb könnte man es rein grammatikalisch in der Gegenwart, der Vergangenheit und der Zukunft erzählen, weil sich daran ja auch nichts ändert, denn wir sind Meister des Jammerns. Deshalb wurde hierbei die Mitvergangenheit gewählt, auf dass die Dramatik nicht zu sehr beschämt, aber dennoch der Ernst der Situation jedem einleuchten muss, der noch das Mindestmaß an mentaler Kraft sein eigen nennt. Neulich also im Wohnzimmer der Familie Brückenschlag, wobei nomen nicht omen ist, kann der Satz gehört worden sein, „Also, es ist schon schlimm mit der Globalisierung“. Vermutlich kam der Satz vom Familienoberhaupt, aber so genau weiß man es dann doch nicht, deshalb lassen wir diesen Punkt offen. Es ändert nichts. Besagtes Familienoberhaupt saß vor dem Fernseher. Das Abendessen ward gegessen und der Körper auf Verdauungsmodus eingestellt, als zwischen News aus der Welt und den Fußballergebnissen, also in der strategisch äußerst günstig platzierten Werbepause, eben jener folgenschwere Satz ertönte. Im Hause war es momentan still, denn man gedachte wohl in aller Stille all der Globalisierungsopfer, derer man erinnerlich wurde, was bedeutete, dass zwei Sekunden später die viel gravierendere Frage gestellt wurde, ob denn noch ein Bier im Kühlschrank wäre. Beschämt musste daraufhin die Hausfrau eingestehen, dass dies nicht der Fall wäre, so dass nun wieder über die wirklich wichtigen Dinge gesprochen wurde. Doch man hatte seine Menschenpflicht erfüllt und auch daran gedacht, dass es schlecht ist in der Welt. Dann kehrte man zurück zur Tagesordnung. Aber warum ist das möglich? Weil es uns gut geht. Der Staat, der sorgt für uns und verteilt seine Meriten gerecht. Oder was bitte sollte daran ungerecht sein, dass Familien die größte Steuerlast tragen? Nutzen sie doch auch am meisten ab. Die Straßen, die Schulen, die Kindergärten, die Universitäten, die Arbeitsplätze. Niemand nimmt so viel öffentliche Infrastruktur in Beschlag wie Familien. Oder haben Sie vielleicht schon mal einen Pensionisten auf einer Schaukel am Kinderspielplatz gesehen? Natürlich nicht. Die werden doch regelmäßig nur von Kinderhintern abgewetzt. Gerecht ist es, denn der Staat, der Papa, wie wir ihn zutreffend nennen, ist gerecht und liebt alle seine Kinder gleichermaßen, aber deshalb sieht er auch, dass seine Kinder verschiedene Bedürfnisse haben. So ist er gezwungen von den Arbeitenden in der Realwirtschaft mehr Steuern zu erheben als vom Kapitalertrag, denn schließlich hat noch kein Kapital einen Kilometer, ja nicht einmal einen Meter Autobahn frequentiert. Außer, wenn es verbracht wird, aber das muss es jetzt nicht mehr, denn das Geld wird sich bald gänzlich auflösen und nur mehr als Buchgeld aufscheinen, hübsche kleine Zahlen, die sich auf virtuellen Autobahnen bewegen, aber dafür braucht es nicht einmal eine Vignette. Es ist nur gerecht, dass das Kapital von einigen wenigen besessen wird, denn die können offenbar darauf aufpassen. Man hat es ja schließlich probiert. Da gab man den Menschen Geld um zu sehen, was würden sie damit machen. Und was machten sie? Sie gaben es sofort aus. Für Lebensmittel, Heizmaterial, Miete und Bekleidung. So uneinsichtig sind sie. Da kann man doch nicht verlangen ihnen mehr zu geben. Nein, man gäbe es denen, die es horten und für diese Last der Verantwortung, aber auch des sorgfältigen Umganges, ist es doch nur legitim, dass sie Zinsen kassieren. Manchmal landet der eine oder andere auf der Straße, auch Kinder, wie behauptet wird, doch das sind Kollateralschäden, die nicht weiter ins Gewicht fallen, und gerade die Funktionsfähigkeit des Systems zeigen, nicht das Gegenteil. Gut geht es uns, und gerecht geht es zu, und wer etwas anderes behauptet, dem geht es sogar zu gut, denn er verfügt über den Luxus so viel Zeit zu haben um zu lamentieren. Nicht das System ist ungerecht, sondern die Menschen, die nicht in die Lobeshymnen miteinfallen, die immer noch nicht sehen, wie gut es ihnen geht.

Montag, 21. September 2015

Innenpolitik, 21. September 2015:


Schön, schöner, Mustermannshausen

Mit allem Fug und Recht und Nut und Nagel ist Mustermannshausen und auch die Bewohner mitunter stolz darauf, viele Jahre hintereinander zum mustergültigsten Musterort im gesamten Bezirk gewählt worden zu sein, doch immer gibt es Menschen, denen das nicht genug ist. Nun kommt der Bahnhof in den Fokus der Kritik. Wird auch hier unser sehr verehrter Herr Bürgermeister Max Mustermann eine seiner mustergültigen Musterlösungen finden? Ein Augenzeugenbericht von Frau Dr. Helene von Herzfeld.

Trotz aller Mustergültigkeit kommen immer wieder Beschwerdepunkte, die direkt in den „Wilden Ochsen“ getragen werden, in dem man am ehesten das Vergnügen hat dem Gemeinderat samt Bürgermeister zu begegnen. So auch diesmal. Ein Fremder, ja, man muss dieses Wort verwenden, nicht nur zur Differenzierung, sondern auch, denn das bedeutet, dass dieser keine Kommunalsteuern entrichtet, aber dennoch die hiesigen Straßen ablatscht und die Bänke im Park sitzend durchscheuert, aber auf Grund der Weltoffenheit, wird auch diesem Gehör geschenkt. Im Mittelpunkt steht hierbei der dem Ort eigene Bahnhof, respektive das Bahnhofsgebäude, denn an den Schienen selbst lässt sich schwer was ändern. Es sähe alt, verwahrlost, grau und wenig einladend aus. Dies wurde also zur Vormittagsstunde dem Bürgermeister samt anwendenden weiteren Gemeinderatsmitgliedern zu Gehör gebracht, während der Reporter des Mustermannshausischen Kuriers eifrig mitschrieb, denn das Gefühl einem historischen Augenblick beiwohnen zu dürfen, lag in der Luft. Dieses wurde ergriffen und mir mitgeteilt. Ruhig und gelassen hörte sich der Herr Bürgermeister die Anfrage an und trat sofort in Aktion. In der selben Minute noch, also in der nachdem er seine Jause und das Bier ausgetrunken hatte, aber dann wirklich sofort, traf er eine Entscheidung. Es müsse etwas geschehen. Deshalb setzte er sofort ein Konsortium ein. Ungefähr eine Stunde später, als die Konsortiumsmitglieder eingesetzt waren, wurde mit der eigentlichen Arbeit begonnen. Die gerade frisch ernannten Mitglieder setzten auf der Stelle drei Arbeitsgruppen ein. Diese Arbeitsgruppen bekamen jeweils eine schwerwiegende Arbeitsaufgabe gestellt. Die erste sollte einen Namen finden. Die zweite war für die Pressearbeit zuständig. Und die dritte, letzte und vergleichsweise unwichtigste, sollte sich damit befassen Ideen zu sammeln und Pläne auszuarbeiten, so dass schon baldmöglichst Ergebnisse vorliegen würden.

„Alles muss gut durchdacht sein, denn mit übereiltem Aktionismus hat man noch nie was Ordentliches auf die Beine gestellt“, erklärte Max Mustermann, Bürgermeister, gedehnt.
„Und wann wird man die Verbesserung bewundern können?“, mischte sich der Reporter an seiner Seite ein.
„Immer dieser Druck von allen Seiten. Man sieht ja was rauskommt, wenn die Menschen unter Druck stehen, wenn man Ihre Artikel liest. Aber ich sage mal, bis zur nächsten Wahl“, zeigte sich der Herr Bürgermeister offen und volksverbunden, wie er nun einmal ist, um nach einer kurzen Überlegung hinzuzufügen, „Wann sind die eigentlich?“
„Am 11. Oktober, Herr Bürgermeister. Also in knapp drei Wochen“, wagte der Reporter einzuwerfen.
„In drei Wochen? Dann sollen die Frauen vom Verschönerungsverein ran, Blumen aufhängen, solches Zeugs. Das gesamte Budget des Vereins soll ausgeschöpft werden. Dann sagt dem Pinselschwinger, dem Künstler Bescheid, der soll ein bisschen was anmalen, und gut ist es“, ordnete der Herr Bürgermeister an, „Denn wir dürfen nie vergessen, nur was schnell entschieden ist, ist gut entschieden.“

Und weil nur schnelle Entscheidungen gute Entscheidungen sind, bestellte sich der Herr Bürgermeister schnell noch ein Bier, während er sich von der rasanten Arbeit erholte.

Montag, 14. September 2015

Demokratie, 14. September 2015:


Anschauliches Lernen

Mustermannshausen, die mustergültigste Gemeinde von ganz überall, besticht durch sein ästhetisches Ortsbild ebenso wie die würde Präsentation der Einwohner. Alles wäre harmonisch, rund und präsentabel, wenn da nicht überall diese Wahlwerbeplakate wären. Dr. Helene von Herzfeld, ihres Zeichens führende Kultur- und Sozialanthropologin, fragt nach.

Frau Doktor Herzfeld durchschritt den Ort erstmals nach einer mehr oder weniger geglückten Ankunft am Hauptbahnhof und einem äußerst interessanten Gespräch mit dem ersten Ureinwohner, der ihr über den Weg lief, und der – zu ihrer nicht geringen Freude – ein Exemplar der weitverbreiteten Spezies „Beamte“ darstellte. Der Ort war zu diesem Zeitpunkt geradezu übersät mit großflächigen Plakaten von sämtlichen kandidierenden Parteien, wobei die Plakate ganz offensichtlich nicht nach Stimmenstärke verteilt worden waren, sondern zu gleichen Teilen, so dass sich die verschiedensten Couleurs munter abwechselten, was ein durchaus farbenfrohes Bild ergab, wobei auch hier darauf geachtet wurde, dass die Farben aufeinander abgestimmt waren. So war z.B. offenbar Wert darauf gelegt worden, dass nicht Rot neben Pink erschien, aber auch nicht Blau neben Schwarz, sondern immer Rot – Schwarz – Pink – Blau – Gelb – Grün. Gemeinsam hatten all diese Plakate, dass das Konterfei des Spitzenkandidaten darauf zu sehen war und ein vollmundiger Slogan zu brisanten Themen.

So war dem Plakat der sozialistischen Partei zu entnehmen:

„Stärkung des Arbeitnehmerstandes sichert Arbeitsplätze.“

Einige Schritte weiter war vom Plakat der Bürgerlichen zu erfahren:

„Stärkung des Unternehmerstandes sichert Wohlstand.“

Anschließend las man am Plakat der Pinken:

„Freies Unternehmertum und selbstverantwortliche Arbeitnehmer sichern den Wettbewerb.“

Noch einmal weitergegangen, verkündete das Plakat der Freiheitlichen:

„Einheimische Arbeitskräfte sichern einheimischen Konsum.“

Um gleich darauf zu einer gelben Parole überzuwechseln:

„Freies Unternehmertum für jeden.“

Den Abschluss bildete der grüne Standpunkt:

„Eine gesunde Umwelt sichert den wohlbewachten Markt.“

Ebenso aussagekräftige Sätze fanden sich zum Thema Bildung, Sicherheit u.v.m. Offenbar befand sich der Ort gerade in der heißen Phase einer Wahl. So lautete zumindest die Arbeitshypothese von Frau Dr. von Herzfeld, die sich eigentlich nie irrte, und selbst wenn es so aussah, lag der Irrtum stets bei ihrem Gegenüber. Dennoch handelte es sich nicht um einen direkten Wahlkampf, wie ihr versichert wurde, obwohl wir uns ja eigentlich immer im Wahlkampf befänden, so die einhellige Meinung der im „Wilden Ochsen“ vollzählig anwesenden Spitzenkandidaten, denn nach der Wahl sei schließlich wieder vor einer Wahl. Aber die Plakate dienten der Bildung.

„Wie sonst wüssten die Parteimitglieder welche Meinung sie zu vertreten hätten, auf der einen Seite, und auf der anderen Seite die Wähler, was die Parteien verträten“, fasste der Herr Bürgermeister, Max Mustermann, die Intention hinter den Plakaten zusammen.
„Aber ich dachte immer, dafür gäbe es Parteiprogramme?“, fragte nun Frau Dr. von Herzfeld nach.
„Natürlich gibt es die“, mischte sich an dieser Stelle Siggi Schablone, Oppositionsführer, ins Gespräch, während der Herr Bürgermeister sich nicht ganz klar darüber zu sein schien was damit eigentlich gemeint war, „Aber es kann ja niemandem zugemutet werden, dass er die liest. Für die eine ausreichend politische Bildung des einfachen Bürgers genügen die Plakate. Damit ist alles Wesentliche gesagt. Kurz, prägnant und immer mit hübschen Bildern garniert.“

Eine wahrhaft epochemachende Errungenschaft auf dem Weg zu einer allumfassenden Demokratie.

Sonntag, 13. September 2015

Innenpolitik, 13. September 2015:


Lückenlose Überwachung

Vorreiterrolle hat der mustergültige Ort Mustermannshausen in einer strittigen Frage wieder einmal übernommen, denn wir fragen nicht nur, wir haben auch Antworten, und diese lautet, lückenlose Überwachung, abgesegnet durch den Souverän, das Volk.

In einer einmaligen Nacht, die wohl in die Geschichte der Gemeinde eingehen wird, als die Nacht, die alles zum Positiven veränderte, alle Missverständnisse und Unklarheiten aus dem Weg räumte und eindeutig die Position des Souveräns zur Geltung brachte. Natürlich war das Thema Überwachung auch bis zu uns vorgedrungen. Peinlich wurde dem jedoch aus dem Weg gegangen, denn es klang nach etwas Bösem, bis sich einige Bürger aufrafften, zu vorgerückter Stunde, im Wilden Ochsen, dem herausragenden Gasthaus in unserem Ort, sich des Themas einmal offen und vor allem vorurteilsfrei anzunähern. Endlich wurde darüber geredet ohne, dass jemand in eine politische Ecke verfrachtet wurde, und vor allem ohne Polemik. Dabei darf nicht übersehen werden, dass es bei uns, wie in jedem kleinen Ort, so etwas wie die NSA schon immer gegeben hat. Nur, dass diese ganz konkrete Namen hatte. Diese Personen bekamen Ehrentitel wie die Dorftratschen. Dabei handelte es sich um Frauen, die die schwere Bürde auf sich nahmen ihre Nachbarn, Bekannten, Verwandten und auch alle anderen, lückenlos zu beobachten. Das setzte Mut und Einsatz voraus, denn nicht immer wurde das gerne gesehen, aber seien wir uns mal ehrlich, nur von denen nicht, die was zu verbergen hatten. Sie ließen sich nicht irre machen und auch nicht verunsichern, und setzten tatkräftig ihr Werk fort. Man kann daraus ersehen, dass sie es alles andere als leicht hatten, und dennoch fuhren sie fort. Manchmal entlud sich der Volkszorn geradezu über sie, auch wenn viele es nicht wagten aufzubegehren, aus Sorge, dass diese Damen zum Gegenschlag ausholen und ein gutgehütetes Geheimnis preisgeben könnten. Doch das ist nun alles vom Tisch, denn man muss die Vorteile bedenken. Damit die Wirtschaft, die Industrie, die Gemeinde darüber informiert ist, was jemand will oder braucht, ist es von nun an nicht einmal mehr notwendig aus dem Haus zu gehen. Man sitzt in seinem Wohnzimmer und spricht über seine Bedürfnisse, und diese werden gesammelt, so dass darauf reagiert werden kann.

Lückenlose Überwachung, das bedeutet ebenso, lückenlose Bedarfserhebung und –erfüllung. Soziale Sanktionen bei Verstößen können punktgenau angebracht werden, aber auch Ratschläge und Verhaltensmaßregeln, falls jemand einmal in Erziehungsfragen z.B. nicht weiter weiß oder einfach nur vergessen hat, ob die Suppe schon gesalzen wurde oder nicht. Und jeder von uns weiß wie fürchterlich eine Suppe schmeckt, die zu viel gesalzen wurde. All diese Vorteile wurden zusammengetragen und in eben jener legendären Nacht darüber abgestimmt. In dieser Abstimmung sprach sich der Souverän einstimmig für die lückenlose Überwachung aus. Böse Zungen behaupten zwar, dass dieses Ergebnis nur zustande kam, weil auch die Wahlkabinen lückenlos überwacht wurden, aber wir wissen leider nur allzu gut, dass es immer jemanden geben wird, der eine Errungenschaft schlecht redet. Und schließlich geschieht nichts anderes, als bei Google, Amazon und Co. schon längst praktiziert wird. Ist es nicht sehr vernünftiger dies in den eigenen Händen zu behalten. Also jeder, der diesen Komfort genießen will und sich demokratiepolitisch reif genug dafür fühlt, ist herzliche eingeladen in unseren wunderbaren Ort eine neue Heimat zu finden.

Montag, 31. August 2015

Mikroökonomie, 31. August 2015:


Es muss mehr konsumiert werden

Die Menschen werden aufmüpfig. Manche fangen an zu lesen, Texte, die neben den Bildern stehen, die sie sich bisher ansahen. Aber nicht nur, dass sie sie lesen. Das wäre noch nicht das größte Problem. Sie lesen und machen sich Gedanken über das Gelesene. Vielleicht verstehen sie zunächst nicht, doch das kommt dann leider, und zuletzt, dann hinterfragen sie. Denn irgendwann entdecken sie, dass sie einen eigenen Verstand haben, den sie benutzen können. Sie entdecken eine weitere Funktion als die einen Hut darauf zu setzen oder eine Haarspange anzubringen oder ein schickes Stirnband. Wenn sie den Hut abnehmen oder die Haarspange oder das Stirnband, dann bleibt der Kopf was er vorher war. Durchaus brauchbar. Auch ohne ihn gekauften Sachen zu verzieren. Und wenn sie das erst entdeckt haben, dann ist es kein weiter Weg mehr dorthin, dass sie nicht nur fremder Leute Gedanken kritisieren können, nein, sie können auch selbst welche entwickeln. Diese selbsterdachten Gedanken, die keine Reglementierung mehr kennen, weil sich immer wieder Leute freischütteln davon, die wachsen, ungezähmt, wuchern, vermehren sich, wagen sich immer weiter vor, und werden – ja man muss es so hart sagen – häretisch. Da tauchen dann so Gedanken auf wie der, dass plötzlich der Güterüberfluss nicht mehr glücklich macht, dass man vielleicht anderes braucht, wie Freunde oder gemeinsames Erleben. Dagegen gäbe es prinzipiell nichts Einzuwenden, wenn es nicht den fundamentalen Regeln widersprechen würde: All das sind Dinge, die in der Anschaffung nichts kosten und auch durch Gebrauch nicht kaputt gehen. Das muss schleunigst unterbunden werden, denn sonst kommen die Menschen zu einer Conclusio, die sie nie erreichen dürfen: Konsum ist auf weite Strecken entbehrlich. Damit fiele das arbeitslose Einkommen weg und niemand könnte sich mehr zurücklehnen und von den Dividenden leben. Bei einem eiligst einberufenen Gipfel wurde die Lösung für dieses brisante Problem gefunden, und zwar die einzig mögliche:

Wir müssen die Geschäfte rund um die Uhr, jeden Tag der Woche, jeden Tag des Jahres offenhalten und damit den Menschen ermöglichen immer zu konsumieren.

Denn wann kommen die Menschen auf die Idee nachzudenken? Wenn sie nichts zu tun haben, d.h. wenn sie nicht beschäftigt werden. Sie gehen arbeiten um sich den Konsum zu finanzieren und weil sie sich den Konsum finanzieren können, tätigen sie diesen auch. Doch dann stehen sie vor verschlossenen Türen. Hilflos stehen sie davor und kommen darauf, dass sie viel zu viel Zeit haben. Und wer viel zu viel Zeit hat sieht sich um Alternativen um. Das darf erst gar nicht passieren. Rund um die Uhr Entertainment, Shopping-Freuden und das ganze mit dem gehörigen Pfiff an Abenteuer. Die Menschen müssen beschäftigt werden. Tag und Nacht. Und wenn sie nicht gerade konsumieren, dann müssen sie über den Konsum reden, müssen davon träumen was sie nicht alles konsumieren könnten. Deshalb müssen ständig neue Produkte auf den Markt kommen. Nicht alle zwei Jahre, nicht jedes Jahr, nein, jedes Monat sollte ein neues Handy da sein, und damit sind sie brav wieder in der Endlosschleife von Arbeit und Konsum, so dass sie wie der Hamster im Rad von einem zum anderen laufen, dass sie keine Ruhe haben um nach links oder rechts zu schauen. Und wer aus dem Rad hinausfällt, der wird bemitleidet. Aber es kommt die Angst, dass man selbst hinausfallen könnte, und so werden sie nur desto fleißiger laufen. Alle Gefahr ist ein für alle mal gebannt.

Deshalb wagt die mustergültigste aller mustergültigen Orte, Mustermannshausen – nomen est oben – als erste den Vorstoß und gibt nicht nur die Öffnungszeiten frei, nein, hier werden die Geschäftsinhaber gezwungen immer offen zu haben, auf dass der Bürger brav und gelassen, und vor allem gedankenlos bleibt.

Montag, 24. August 2015

Kapitalismus, 24. August 2015:


Nutzen oder Nicht-Nutzen – das ist hier die Frage

Ein aufstrebender junger Wirtschaftswissenschafter hielt am gestrigen Abend einen immens interessanten Vortrag im Gasthaus „Wilder Ochse“, den wir uns erlauben im Wortlaut wiederzugeben:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Es ist mir eine große Ehre hier heute zu Ihnen sprechen zu dürfen, und ich bin überzeugt, dass jeder von uns Nutzen daraus zieht. Sie, indem Sie bestimmte, eingefahrene Denkstrukturen endlich ändern, und ich, weil ich ein entsprechendes Honorar beziehe. Meine Gedankengänge sind selbstverständlich durch neoliberales Gedankengut geprägt, nicht zuletzt aufgrund meines wunderbaren Lehrers Milton Friedman, dem bekanntermaßen nichts Heilig ist, denn alles, was unsere Denkmöglichkeiten hemmt, verhindert den Fortschritt und damit die Freiheit. So war es bisher üblich im Bereich der Tiere zwischen solchen zu unterscheiden, die einen Nutzen haben und solchen, die keinen Nutzen haben. Ich möchte dafür den Begriff Nicht-Nutzen verwenden, da er sich besser kontrastiert. Nutzen hatten solche Tiere, die etwas haben, was dem Menschen von Nutzen ist, entweder in Form einer Leistung wie bei einem Jagdhund oder in Form eines Erzeugnisses, das sich immer wieder reproduzieren lässt, da die Grundsubstanz erhalten bleibt, wie z.B. Hühner, die Eier legen oder Kühe, die Milch produzieren oder in Form der Verwendung des Tierkörpers an sich oder eines Teiles davon. Diese Tiere, die einen Nutzen haben, sind wirtschaftlich von Bedeutung. Der emotionale Nutzen, der dem einen oder anderen Lebewesen nachgesagt wird, ist nur insofern von Interesse für das Leben – und alles Leben ist Wirtschaft – als es sich handelt lässt, so etwa in Form von Welpen, die gekauft bzw. verkauft werden können und so einen Anteil an der Steigerung des BIP haben. Dies mag wohl unbestritten sein, doch warum sollten wir bei Tieren und anderen Lebewesen stehenbleiben? So kann dieses Konzept des Nutzens oder Nicht-Nutzens durchaus auch auf den Menschen übertragen werden, so dass wir nun unterscheiden können zwischen Menschen, die einen Nutzen haben und solchen mit einem Nicht-Nutzen. So haben arbeits-, denk- und konsumfähige Menschen einen Nutzen. Sie erbringen ihre Arbeitsleistung, so dass Arbeitsplätze ausgefüllt werden und wirtschaftlich relevante Tätigkeiten verrichtet werden. Sie erbringen Denkleistungen, die im besten Fall zu Innovationen führen, die wiederum das Angebotsspektrum erweitern oder die Produktionsmöglichkeiten. Andererseits aber haben sie den Nutzen, dass sie die erzeugten Produkte wieder konsumieren, so dass das eingesetzte Geld zuverlässig wieder in die Hände fließt, in die es gehört. Bisher wurden diese Menschen mit Nutzen euphemistisch als Humankapital bezeichnet, was nicht ganz richtig ist, denn Kapital muss man weder füttern noch mit Kleidung versorgen oder Wohnraum. All diese Anforderungen stellen aber Menschen. Dabei gilt zu beachten, dass dies alle Menschen fordern, unabhängig ob sie von Nutzen sind oder von Nicht-Nutzen. Sind sie von Nutzen, so gilt es adäquate Bedingungen betreffs Versorgung zu schaffen, dass sie diesen Nutzen auch erfüllen können. Mit einem Tier von Nutzen würden wir ganz genau so verfahren, denn eine Investition, die voraussichtlich eine Rendite erbringt muss man pfleglich behandeln. Was geschieht aber mit einem Tier, das einen Nicht-Nutzen erbringt? Man wird es nicht weiter füttern und wärmen und behüten, denn es erbringt keine Rendite mehr. Man wird es also eliminieren. Ebenso sollte man mit Menschen verfahren, die einen Nicht-Nutzen erbringen, denn sie erbringen nicht nur keine Rendite, sondern verschlingen auch noch knappe Ressourcen, die anderweitig dringend benötigt werden. Menschen mit einem Nicht-Nutzen, also solche, die entweder nicht mehr arbeits- oder denk- oder konsumfähig sind, sollten ebenso rasch und schmerzlos eingeschläfert werden wie alle anderen Lebewesen in dieser Situation. Dies wäre eine optimale Lösung für alle Verteilungsprobleme und würde endlich die völlige Gleichheit aller Lebewesen bedeuten, die nur von der Ökonomie wirklich anerkannt wird.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Montag, 17. August 2015

Asylpolitik, 17. August 2015:


Österreich ist ein schönes Land

So vieles hat dieses Land und vor allem dessen Bewohner in den vielen Jahrhunderten seiner Geschichte aushalten müssen. Sogar die zeitweilige Auslöschung während der Annexion durch Deutschland. Das war vielleicht das Schlimmste, auch wenn es sich viele Österreicher damals wünschten, unterkriechen unter die Fittiche des großen, starken Bruders, doch das ist eine andere Geschichte, die schon viel zu oft erzählt wurde. Doch dann schien es zunächst bergauf zu gehen. Das Land wurde aufgebaut. Und es wurde frei. Und neutral. In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden hunderttausende Menschen in diesem wiedererstarkten Österreich aufgenommen, die vor der Unmenschlichkeit der kommunistischen Systeme flohen, wohlgemerkt, mit offenen Armen aufgenommen. Doch dann kam der Paradesozialist, dem sehr viele Österreicher heute noch nachweinen, der es in die Wege leitete, dass der gelernte Österreicher an der prallgefüllten öffentlichen Zitze hängen sollte, am besten von der Wiege bis zur Bahre. Während der nächsten Jahrzehnte wurde an dieser Zitze gesoffen was das Zeug hielt, bis sie zu einem grotesken leeren Beutel zusammengeschrumpft war. Aber das macht ja nichts, holten wir uns doch die Wiederauffüllung aus dem freundlichen Ausland, und die Abhängigkeit von den sozialen Errungenschaften stieg im selben Maße wie die Lust an Eigeninitiative abnahm. Erfolg und Leistung durch den Staatsbürger wurde mit Hohn und Spott verfolgt. So wurde dies weitergeführt, auch nach Beendigung der sozialistischen Alleinregierung, bis herauf zu einem Machtvakuum, das durch die tönernen Stimmen der Herren Landesfürsten jeden Misston der Vernunft niederstrecken. Und so ging eine dereinst aufstrebende Wirtschaftsnation in Stagnation und Korruptionssumpf unter, während man lauthals um das Recht der Lenkerinnen stritt auch am Strafzettel erwähnt zu werden oder jenes welche Bank die nächsten Milliarden erhalten sollte. War doch schon wurscht. Wenn das Geld eh schon nicht da war, so machten ein paar Milliarden mehr Schulden auch schon nichts mehr aus, eingedenk des zu Anfang erwähnten Paradesozialisten, bloß, dass Österreich die Schulden und die Arbeitslosen hatten. Und dann kam noch ein weiterer Klotz am Bein, Flüchtlinge, die um ihr Leben zittern mussten in ihrer Heimat, kamen in dieses angeblich reiche Land, und wurden eingepfercht wie ehedem im KZ. Zu weit hergeholt? Eingesperrt und eingeengt wie die Tiere, mit Sozialräumen, die keine Privatsphäre zulassen und Toiletten, in denen Exkremente herumschwimmen, zur Tatenlosigkeit verurteilt. Natürlich gibt es Menschen, die helfen wollen, die Spenden bringen. Das Notwendigste. Decken und Kleidung. Obst und Hygieneartikel. Nein, sie werden nicht erschossen, aber weggeschickt. Man darf nicht menschlich sein. Man darf nicht helfen. Doch, wenn man eine Erlaubnis des Ministeriums hat. Das dauert allerdings. Wochen. Monate. Aber das macht ja nichts. Die Flüchtlinge haben ja Zeit. Die Landesherren steigen nicht von ihrem hohen Ross herunter. Und irgendwann wird es so sein, dass man angeklagt wird, weil man einem Flüchtlingskind einen Apfel gibt. Wie damals, wenn man versuchte einem hungernden Juden ein Stück Brot zuzustecken. Aber nachdem man an allem etwas Positives finden kann, so vielleicht auch daran, denn mit Traditionen soll man nicht brechen. Nein, das tun wir auch nicht. So sitzen Parteibonzen und opulenten Wohnungen zu Bestkonditionen und erzählen uns was von sozialer Gleichheit, und dass alle ein besseres Leben haben sollen. Wobei sich das alle wohl auf die eigenen Leute einschränkt. Aber wahrscheinlich sind alle anderen keine Menschen. Und doch gibt es etwas wie Gleichheit, denn dieses Prinzip des Machterhalts und dem Zuschanzen von Privilegien und Pfründen gilt für sämtliche Großparteien. Ist doch schön, dass so viel Einigkeit herrscht. Ob sozial oder konservativ, liberal oder neokommunistisch, alle schauen auf ihre eigenen Leute. Ja, Österreich ist ein schönes Land, vor allem, wenn man sich das alles von außen ansehen könnte und nichts mehr damit zu tun haben muss. Aber dazu haben nur die wenigsten die Möglichkeit.

Sonntag, 16. August 2015

Sicherheitspolitik, 16. August 2015:


Moderne Hexen

Besorgniserregende Zustände nehmen unseren schönen, mustergültigen Ort in Beschlag. Der ansässige Apotheker war den Tränen nahe, als er sich an jenem Morgen in den Wilden Ochsen schleppte, denn er sah nur mehr einen Ausweg aus seiner miserablen Situation, die darin bestand, dass er sich zwar einen neuen Maserati kaufen konnte, aber nun die Gefahr bestand, dass die Garage nicht mehr gebaut werden würde, da ihm schlicht und ergreifend die Mittel fehlten. Und was war schuld an der ganzen Misere? Diese Kräuterhexe, diese vermaledeite, die die Menschen nicht nur mit Heilmittel versorge, nein, sie machte sie auch tatsächlich gesund. Das war überhaupt nicht im Sinne des Erfinders. Dem musste so schnell wie möglich ein Ende gesetzt werden. Nicht zuletzt wegen seinem Maserati, dem nicht zugemutet werden konnte, dass er im Freien Wind und Wetter ausgesetzt sein sollte, aber auch wegen all der armen Renditeeinheimser der Pharmaindustrie, die ihre Felle davonschwimmen sehen mussten, würden die Menschen wirklich gesund werden. Gesund, was für eine schreckliche Vorstellung.
„Max“, begann er deshalb sein Plädoyer gegenüber dem Bürgermeister, der gerade sein zweites Frühstück beendet hatte und dementsprechend guter Laune war, „Wir müssen dem Treiben dieser Dame so schnell wie möglich ein Ende setzen.“
„Aha“, entgegnete der Bürgermeister gedehnt und sah seinen alten Freund mit müden Augen an, „Und warum?“
„Stell Dir vor, mit Medikamenten ist es so“, begann der Apotheker seine Erklärung, der sich durchaus darüber im Klaren war, es langsam und so einfach möglich halten zu müssen, „Da gibt es große Firmen, die lange Jahre der Forschung bezahlen um ein für die Menschen wirksames Mittel auf den Markt zu bringen. Viele Menschen sind an dieser Entwicklung beteiligt und auch viele Tiere, die mit Freude ihr Leben opfern. Das kostet viel Geld, das wieder verdient werden muss. Damit das Geld wieder verdient werden kann, müssen die Menschen die entsprechenden Krankheiten im entsprechenden Ausmaß haben. Also z.B. Kopfschmerzen. Da kommt der Arzt ins Spiel. Er diagnostiziert, Kopfschmerzen. Dann verschreibt er das Mittel, das ihm am meisten ans Herz gelegt wurde. Mit dem Rezept kommt der Mensch in die Apotheke, wovon ich mein karges Leben friste. Doch das Medikament darf gerade so viel Nutzen zeigen, dass der Mensch sich besser fühlt, aber dennoch die Kopfschmerzen immer wieder kommen. Das nennt man dann chronisch, was dazu führt, dass er das Medikament über Jahre weiternimmt. Alle sind zufrieden, die Pharmazie, die immer mehr verkauft, der Arzt, der ohne Arbeit immer wieder was verschreiben kann, der Apotheker, der davon recht und schlecht leben kann und der Patient, der immer wieder eine Erleichterung erfährt, aber dennoch an seine Endlichkeit gemahnt wird. Doch jetzt kommt diese Kräuterhexe, die sich einfach irgendein Heilkraut aus der Natur holt, das dort einfach gratis wächst, gibt es gratis weiter und die Menschen werden geheilt, einfach so. Alle verlieren. Die Pharmaindustrie kann nichts verkaufen. Der Arzt hat keine Patienten und der Apotheker keine Kunden. Und nicht nur das, die gibt das Wissen auch noch weiter. Wenn das so weitergeht, dann geht alles zugrunde, denn die Menschen werden davon gesund, also richtig, so dass sie nichts mehr brauchen. Zum Schluss sind sie auch durch das Wissen so unabhängig, dass sie sich das Mittel selbst holen können. Und es gibt keine Nebenwirkungen, die überhaupt das schönste sind, denn dann kann man auch was gegen die Nebenwirkungen verkaufen. Dieser Unsitte muss ein Ende gesetzt werden, sofort. Du musst ihr verbieten die Menschen gesund zu machen und auch, dass je wieder jemand weiß, dass das geht.“
„Nun, das verstehe ich sehr gut“, erklärte der Bürgermeister gemütlich, „Aber es ist gar nicht notwendig, das wird schon in der EU vorbereitet und die ersten Scheiterhaufen errichtet.“
Zufrieden zog der Apotheker ab, in der wohlbegründeten Hoffnung nun doch bald seinen Maserati in Sicherheit bringen zu können.

Montag, 10. August 2015

Statusbericht, 09. August 2015:



Warten auf Godot (österreichisch)

Am Wegesrand verharren zwei Clochards, auffallend gut gekleidet, als bezögen sie ein arbeitsloses Einkommen aus einer hohen Position, d.h. sie erhalten die Bezüge und machen sich im Gegenzug ihre Anzüge nicht schmutzig. Was sie verrät ist ihr leerer Blick.

Werner: Die Welt um uns ist so leer.
Reinhold: Die Welt ist immer leer, wenn man gelernt hat das Wesentliche zu übersehen.
Werner: Und auch das Unwesentliche.
Reinhold: Unwesentlich muss nicht übersehen werden, denn ohne Wesen kein Sein.
Werner: Angeber.
Reinhold: Bezugsloser.
Werner: Aufschneider.
Reinhold: Wurst und Käse.
Werner: Schnösel.
Reinhold: Dilettant.
Werner: Sieh nur.
Reinhold: Da kommt einer.
Werner: Einer und noch einer.
Reinhold: Zwei
Werner: Gib nicht so an.
Reinhold: Der eine hat eine Schnur um den Hals.
Werner: Einen Strick.
Reinhold: Ein Gängelband.
Werner: Sind sie wesentlich?
Reinhold: Siehst Du sie?
Werner: Ja.
Reinhold: Eben.
Werner: Was machen sie?
Reinhold: Sie bleiben stehen.
Werner: Einer singt.
Reinhold: Für wen?
Werner: Für uns?
Reinhold: Ist sonst keiner da.
Werner: Ich sehe keinen.
Reinhold: Für uns singt er.
Werner: Der andere schweigt.
Reinhold: Er singt schrecklich.
Werner: Wir schreiben ihm eine Honorarnote.
Reinhold: Eine Million?
Werner: Für beide?
Reinhold: Einer singt.
Werner: Einer lässt singen.
Reinhold: Es ist so vertraut.
Werner: Für beide.
Reinhold: Eine für den, der singt.
Werner: Ja.
Reinhold: Eine für den, der hält.
Werner: Macht drei.
Reinhold: Zwei.
Werner: Angeber.
Reinhold: Bezugsloser.
Werner: Aufschneider.
Reinhold: Wurst und Käse und Gurkerl.
Werner: Er nimmt es nicht.
Reinhold: Warum?
Werner: Er will unser Geld nicht.
Reinhold: Ist auch nicht unseres.
Werner: Wir verwalten es.
Reinhold: Wir sind Verwalter.
Werner: Für wen.
Reinhold: Die Unsichtbaren.
Werner: Die Wähler.
Reinhold: Die Unwesentlichen.
Werner: Ihr Geld?
Reinhold: Er nimmt es.
Werner: Er hat aufgehört zu singen.
Reinhold: Er geht.
Werner: Der andere auch.
Reinhold: Er nimmt ihn mit.
Werner: Am Gängelband.
Reinhold: Wer gängelt wen?
Werner: Tut nichts.
Reinhold: Auch das nicht.
Werner: Lass uns gehen.
Reinhold: Wir können nicht.
Werner: Warum nicht?
Reinhold: Wir warten.
Werner: Worauf?
Reinhold: Worauf?
Werner: Steuerreform?
Reinhold: Zu kompliziert.
Werner: Bildungsreform?
Reinhold: Zu unbequem.
Werner: Verwaltungsreform?
Reinhold: Zu unanständig.
Werner: Worauf dann?
Reinhold: Auf Godot.
Werner: Warum?
Reinhold: Der kommt eher.

Montag, 3. August 2015

Regierungsinterna, 03. August 2015:


Wer sich bewegt verliert

Da steht er nun der Werner Faymann und weiß nicht wie ihm geschieht. Am Scheideweg stehe er, heißt es. Alle sagen er bewege sich nicht. Er steht einfach dort und überlegt. Natürlich könnte er einen Fuß nach vorne setzen. Aber welchen? Den linken. Nun links, das wäre schon ein guter Anfang, den denn als Sozialist steht er links, auch vom parteipolitischen Spektrum. Aber was, wenn wir die bürgerlich-sozial Orientierten in den eigenen Reihen vergrämen würde. Und was sagt der Michl, der Häupl dazu? Oder der Hansl, der Niessl? Egal, alle stehen sie hinter ihm wie ein Mann. Ein kurzer Blick über die Schulter. Doch nicht, lassen wir es. Keiner steht da. Es bröckelt, aber es ist nur gut gemeint. Der Platz dahinter wird freigehalten für den geordneten Rückzug. Aber er hat noch nie etwas anderes gemacht als dort zu stehen und zu bleiben wo er hingestellt wurde. Warum daran was ändern? Das begann schon früh. Ganz genau. Er war immer der letzte gewesen in der Sandkiste. Hingestellt und stehengelassen. Also vielleicht der rechte Fuß. Doch das war auch ein Versuch – mit den Rechtswissenschaften. Dort war er ja, auf der Uni. Aber dass man studieren auch noch musste, da stellte ihn niemand mehr. Dafür wurde ihm Amt für Amt in die Hände gelegt, bis es eines Tages das des Bundeskanzlers war. Er vermutete, es war sein Stehvermögen. Dann wäre der mittlere Fuß eine Option. Da steigt man niemanden auf die Zehen. Aber den gibt es nicht. Der menschliche Körper setzt sich unmotiviert über die Political Correctness hinweg. Da kann er nichts dafür. Obwohl, er kann nie was dafür, denn wer nichts tut kann auch nichts falsch machen. Aber vorgeworfen wird es einem trotzdem. Er hebt den Blick und übersieht den Weg. Lauter Misthaufen. Asylbewerber. Bildungsreform. Pensionsreform. Verwaltungsreform. Wenn wir noch ein paar Jahrzehnte warten, vielleicht kommt dann Humus aus diesen Misthaufen. Humus für die Baumschule. Nein, es macht keinen Spaß dorthin zu sehen. Kann das nicht wer aufräumen? Herrgott. Nein, den darf er nicht bemühen. Verdammt! Ja, das geht. Kann das nicht irgendwer wegräumen? Es stinkt. Wer ist denn zuständig? Wo ist denn die Regierung in diesem Land? Ach ja, das hat man ihm ja aufs Auge gedrückt. Zum Glück gibt es einen Vizekanzler. Der soll schließlich auch Verantwortung übernehmen. Ein Blick zur Seite. Wer sich als erst bewegt hat verloren. Agieren. Reagieren. Nun, der andere soll machen. Der Herr Doktor Mitterlehner, Reinhold. Ist auch die Beamtenlaufbahn hinaufgefallen. Vielleicht hätte er doch die eine andere Prüfung machen sollen, der Herr Bundeskanzler. Der Dr. jur. hätte sich sicher gut gemacht auf der Visitenkarte. Aber Bundeskanzler, allein das glänzt schön. Taxifahren, das war angenehm. Da wurde einem gesagt wo man hinfahren soll. Da musste man nicht selbst entscheiden. Alles bricht zusammen, schreiben die Medien. Er kann nichts dafür. Es sagt ihm ja keiner mehr wo es hingehen soll. Und die Landekaiser sind so schnell beleidigt. Die muss man hätscheln. Und der Gewerkschaftspräsident, der, der, na der Dings halt, wo einem nie der Namen einfällt, der beäugt ihn auch schon wieder so, mit dem bösen Blick. Nein, der Mitterlehner bewegt sich auch nicht. Aber nichts gegen die Standhaftigkeit vom Werner. Im Sandkasten schon geübt. Perfektioniert. Nicht einmal das hyperventilierende Rumpelstilzchen kann ihn aus der Ruhe bringen. Das fliegt eh bald wieder nach Kanada. Und die Grünen? Die testen die Auswirkungen von Gänseblümchenduft auf handgestreichelte Schweinchen. Doch was ist das? Der Kopf wird ruckartig nach rechts gedreht, noch viel weiter rechts, und ein Pfeil zischt vorbei, gefolgt von johlenden Horden. Alle laufen ihm nach, dem Volksverhetzer. Und was denkt der Herr Bundeskanzler? „Mist, ich habe mich bewegt. Ich habe verloren.“

Sonntag, 2. August 2015

Föderalismus, 02. August 2015:


Konzentration auf das Wesentliche

In Österreich frönen wir dem Föderalismus. Das ist so ähnlich wie subsidiäres Vorgehen, aber eben nicht ganz. Dennoch sind 37% der Österreicher für mehr Föderalismus, auch wenn die Hälfte davon nicht weiß was das ist. Föderalismus klingt vielleicht besser als Zentralismus. Auf gut österreichisch übersetzt heißt Zentralismus vom Land aus gesehen: „Was geht die Großkopferten in Wien an was mir machen.“ Außerdem beginnt das Wort mit Z. Ein bilabialer Zischlaut wie das F macht sich schon sehr viel besser. Deshalb ist es auch verständlich dies vorzuziehen. Natürlich spricht einiges für den Föderalismus. Gemeinden kümmern sich um ihre Belange, weil sie nahe an den Menschen sind. Wo es ortsübergreifende Probleme gibt, da kommen die Kompetenzen der Bezirksverwaltungen zum Tragen, und erst wenn das immer noch nicht ausreicht, dann erst das Land und im letzten Schritt der Bund. So weit die Theorie, aber die Praxis schaut leider ganz anders aus. Wir in den Gemeinden sind wieder die Leidtragenden, ganz gleich ob es sich um Asyl-, Bildungs-, Pensions- oder Wirtschaftspolitik handelt, überall mischen sie sich in die Belange der Gemeinden ein und übergehen damit die Grundfesten des Föderalismus, der sogar in der Verfassung festgeschrieben ist. Deshalb haben wir einen mustergültigen Lösungsvorschlag zu unterbreiten. Eben Mustermannshausens würdig.

Wir regeln all diese Angelegenheiten souverän, eigenständig und zum Wohle aller Beteiligten wie folgt. Rund um unseren schönen Ort werden Grenzzäune errichtet, denn wir nehmen selbstverständlich keine Asylanten auf. Schließlich kommen mindestens fünf Touristen pro Jahr in unseren schönen Ort, und da können wir keine abschreckenden, abgerissenen Asylanten brauchen. Damit geben wir aber allen anderen Gemeinden die Möglichkeiten ihre Ressourcen zu nutzen und die Zuwanderer aufzunehmen. Im Bildungsbereich setzen wir nach wie vor auf Althergebrachtes, das wir einfach weiterführen, denn es hat sich schon vor 150 Jahren bewährt, und die Menschen haben sich nicht oder kaum verändert seitdem. Wissen wir doch nur allzu gut, dass sich selbst unser Neandertalerwesen noch in uns verankert sieht. Und das ist doch weitaus älter. Außerdem darf solch eine Bildungsreform nicht übers Knie gebrochen werden. Bereits vor 50 Jahren haben wir deshalb – was schon fast visionär anmutet – einen Bildungsrat eingesetzt, der noch immer tagt. Denn gut Ding braucht eben Weile. Womit auch gleich die Pensionsregelung besprochen werden kann, denn es ist nur legitim immer älter zu werden und immer kürzer zu arbeiten. Schließlich gibt es doch nichts Schöneres als viele Jahre des Fruchtgenusses zu erleben. Auch wenn man die Früchte vorkonsumiert, die der nächsten Generation zusteht. Wer weiß was bis dahin ist. Die haben ja auch schließlich keinen Krieg erlebt. Das muss alles berücksichtigt werden. Deshalb brauchen wir auch keine Unternehmer, denn um Arbeitsplätze soll sich gefälligst die Verwaltung kümmern, so dass wir bald das lange angestrebte eins zu eins Verhältnis zwischen Beamten und normal arbeitender Bevölkerung zustande bringen, nach dem Motto: „Jedem Staatsbürger seinen eigenen Beamten.“ Der zieht dann auch gleich zu seinem Staatsbürger, so dass sie die Beziehung vertiefen können.

Damit haben wir ein System erschaffen, das mustergültig den Föderalismus in seiner eigentlichsten Intention umsetzt und zum Wohle aller eingeführt werden müsste, flächendeckend in ganz Österreich. Vielleicht sollte dann noch darüber nachgedacht werden ob nicht jeder einzelnen Gemeinde nationale Hoheitsrechte zukommen sollten, aber das ist wohl noch Zukunftsmusik.

Mittwoch, 15. Juli 2015

Innenpolitik, 14. Juli 2015:


Wenn wir einmal mitregieren ...


Nachdem unser sehr geehrter Herr Vizekanzler Reinhold Mitterlehner weiß wo es schön ist in unserem wunderbaren Land, verbringt er regelmäßig ein Wochenende in unserem mustergültigen Ort. Es fügte sich wie eine Fügung, dass der Chefredakteur des Mustermannhausener Kuriers Georg Schabovski auch gerade zugegen war, also sie waren quasi miteinander in einem Raum, also im selben Wirtshaus, so dass dies zu einem durchaus als legendär zu bezeichnenden Interview führte, das hier nun wiedergegeben werden soll.

Schabovski: Herr Vizekanzler. Wie geht es Ihnen?
Mitterlehner: Auf die Frage war ich jetzt nicht vorbereitet.
Schabovski: Setzen Sie doch einen Telefonjoker ein – kleiner Scherz.
Mitterlehner: Aha. Eigentlich hätte ich gerne in Ruhe gegessen.
Schabovski: Immer verschieben. Das sind wir ja gewohnt.
Mitterlehner: Wie meinen?
Schabovski: Es ist doch so, dass wir seit Jahren hören, dass Reformen dringend nötig wären, aber diese angeblich so dringend nötigen Reformen werden immer wieder verschoben.
Mitterlehner: Echt? Ah, Moment, da hab ich ein Karterl dazu. – Also da steht: Alle Länder in Europa, die konsequent Reformen durchführten, sind jetzt auf der Gewinnerstraße. Wir sollten dringend Reformen durchführen.
Schabovski: Ja, das wissen wir bereits, aber wann soll das nun sein.
Mitterlehner: Sobald wir die Möglichkeit dazu haben, dann werden wir alle tollen Reformpläne umsetzen.
Schabovski: Verzeihung, Herr Vizekanzler, Sie sind Vizekanzler. Was sagt Ihnen das?
Mitterlehner: Na was ....
Schabovski: Dass Sie mit Ihrer Partei in der Regierung sitzen? Vielleicht?
Mitterlehner: Echt? Mein Gott – das darf ein Konservativer – warum sagt mir das denn keiner?
Schabovski: Anscheinend sind Sie nicht der erste Parteiobmann der ÖVP, der das noch nicht weiß. So sagte Ihr Vorgänger vor der Wahl 2013 im Fernsehen, dass sich die Staatsverschuldung in den vergangenen Jahren verfünffacht hätten, aber wenn sie gewählt werden würden, dann würde sich das radikal ändern.
Mitterlehner: Völlig richtig, wenn wir einmal was zu sagen haben, dann machen wir alles anders. Die Staatsverschuldung fahren wir zurück, das überbordende Kammernsystem schaffen wir ab, und ja, Reformen werden durchgeführt.
Schabovski: Laut meinen Informationen sitzt die ÖVP seit fast 28 Jahren in der Regierung.
Mitterlehner: Verdammt, warum sagt mir das denn keiner. Moment, da war noch was.
Schabovski: Ja?
Mitterlehner: Ich weiß es wieder. In Österreich regieren doch die Landeskaiser, also der Häupl und der Niessl und der Kaiser – was für ein hübsches Wortspiel – und wie sie alle heißen, und das wird dann zusammengefasst in der Länderkonferenz, und dann geht eine Depesche an das Parlament, damit wir wissen was wir tun dürfen.
Schabovski: Aber ich dachte immer, die Regierung regiert – und die Länder sind nachgeordnet.
Mitterlehner: Sagen Sie das nicht so laut. Wenn das der Erwin, also der Pröll, hört, da krieg ich ja gleich wieder Schimpfer, und davor fürcht ich mich doch so viel. Bisher war ich immer sein braver Bub.
Schabovski: Warum brauchen wir dann eine Bundesregierung?
Mitterlehner: Was soll denn das für eine Frage sein! Damit die Menschen wissen wozu das Parlament renoviert wurde. Und dort habe ich mein Platzerl, schön weich und warm. Wo sollte ich denn sonst hin? Ich wäre ja heimatlos, wie ein armer kleiner Hund auf der Straße ...
Schabovski: Aha. Ich danke für das Gespräch.