Montag, 24. August 2015

Kapitalismus, 24. August 2015:


Nutzen oder Nicht-Nutzen – das ist hier die Frage

Ein aufstrebender junger Wirtschaftswissenschafter hielt am gestrigen Abend einen immens interessanten Vortrag im Gasthaus „Wilder Ochse“, den wir uns erlauben im Wortlaut wiederzugeben:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Es ist mir eine große Ehre hier heute zu Ihnen sprechen zu dürfen, und ich bin überzeugt, dass jeder von uns Nutzen daraus zieht. Sie, indem Sie bestimmte, eingefahrene Denkstrukturen endlich ändern, und ich, weil ich ein entsprechendes Honorar beziehe. Meine Gedankengänge sind selbstverständlich durch neoliberales Gedankengut geprägt, nicht zuletzt aufgrund meines wunderbaren Lehrers Milton Friedman, dem bekanntermaßen nichts Heilig ist, denn alles, was unsere Denkmöglichkeiten hemmt, verhindert den Fortschritt und damit die Freiheit. So war es bisher üblich im Bereich der Tiere zwischen solchen zu unterscheiden, die einen Nutzen haben und solchen, die keinen Nutzen haben. Ich möchte dafür den Begriff Nicht-Nutzen verwenden, da er sich besser kontrastiert. Nutzen hatten solche Tiere, die etwas haben, was dem Menschen von Nutzen ist, entweder in Form einer Leistung wie bei einem Jagdhund oder in Form eines Erzeugnisses, das sich immer wieder reproduzieren lässt, da die Grundsubstanz erhalten bleibt, wie z.B. Hühner, die Eier legen oder Kühe, die Milch produzieren oder in Form der Verwendung des Tierkörpers an sich oder eines Teiles davon. Diese Tiere, die einen Nutzen haben, sind wirtschaftlich von Bedeutung. Der emotionale Nutzen, der dem einen oder anderen Lebewesen nachgesagt wird, ist nur insofern von Interesse für das Leben – und alles Leben ist Wirtschaft – als es sich handelt lässt, so etwa in Form von Welpen, die gekauft bzw. verkauft werden können und so einen Anteil an der Steigerung des BIP haben. Dies mag wohl unbestritten sein, doch warum sollten wir bei Tieren und anderen Lebewesen stehenbleiben? So kann dieses Konzept des Nutzens oder Nicht-Nutzens durchaus auch auf den Menschen übertragen werden, so dass wir nun unterscheiden können zwischen Menschen, die einen Nutzen haben und solchen mit einem Nicht-Nutzen. So haben arbeits-, denk- und konsumfähige Menschen einen Nutzen. Sie erbringen ihre Arbeitsleistung, so dass Arbeitsplätze ausgefüllt werden und wirtschaftlich relevante Tätigkeiten verrichtet werden. Sie erbringen Denkleistungen, die im besten Fall zu Innovationen führen, die wiederum das Angebotsspektrum erweitern oder die Produktionsmöglichkeiten. Andererseits aber haben sie den Nutzen, dass sie die erzeugten Produkte wieder konsumieren, so dass das eingesetzte Geld zuverlässig wieder in die Hände fließt, in die es gehört. Bisher wurden diese Menschen mit Nutzen euphemistisch als Humankapital bezeichnet, was nicht ganz richtig ist, denn Kapital muss man weder füttern noch mit Kleidung versorgen oder Wohnraum. All diese Anforderungen stellen aber Menschen. Dabei gilt zu beachten, dass dies alle Menschen fordern, unabhängig ob sie von Nutzen sind oder von Nicht-Nutzen. Sind sie von Nutzen, so gilt es adäquate Bedingungen betreffs Versorgung zu schaffen, dass sie diesen Nutzen auch erfüllen können. Mit einem Tier von Nutzen würden wir ganz genau so verfahren, denn eine Investition, die voraussichtlich eine Rendite erbringt muss man pfleglich behandeln. Was geschieht aber mit einem Tier, das einen Nicht-Nutzen erbringt? Man wird es nicht weiter füttern und wärmen und behüten, denn es erbringt keine Rendite mehr. Man wird es also eliminieren. Ebenso sollte man mit Menschen verfahren, die einen Nicht-Nutzen erbringen, denn sie erbringen nicht nur keine Rendite, sondern verschlingen auch noch knappe Ressourcen, die anderweitig dringend benötigt werden. Menschen mit einem Nicht-Nutzen, also solche, die entweder nicht mehr arbeits- oder denk- oder konsumfähig sind, sollten ebenso rasch und schmerzlos eingeschläfert werden wie alle anderen Lebewesen in dieser Situation. Dies wäre eine optimale Lösung für alle Verteilungsprobleme und würde endlich die völlige Gleichheit aller Lebewesen bedeuten, die nur von der Ökonomie wirklich anerkannt wird.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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