Sonntag, 30. März 2014

Wirtschaftspolitik, 30. März 2014:


Lob des freien Unternehmertums

Wir leben in einem freien Land, in dem jeder seine Meinung sagen darf. Jeder einzelne Staatsbürger darf das – alle vier Jahre bei der Wahl. Das muss doch wohl genügen. Schließlich muss ja die Regierung dazwischen einmal in Ruhe arbeiten dürfen und man kann nicht von jedem verlangen, dass er die komplexen Zusammenhänge versteht. Deshalb trafen sich, aus gegebenem Anlass hochrangige Vertreter der Regierung unter dem Siegel der Verschwiegenheit und inkognito in Mustermannshausen um einen brisanten Fall zu besprechen. Beteiligt am Gespräch waren der Bundeskanzler, der Finanzminister, unser sehr verehrter Herr Bürgermeister und ein gewisser Geschäftsmann, der dieses Treffen notwendig machte. Natürlich drang kein Wort dieser geheimen Unterredung an die Öffentlichkeit. Nun folgend das Gespräch im Wortlaut.
Geschäftsmann: Herr Bundeskanzler, Herr Finanzminister, Sie sehen sicher ein, dass es wohl Ihre Pflicht ist mir, respektive meinem Unternehmen unter die Arme zu greifen. Sie dürfen nicht vergessen, es geht immerhin um 4.000 Arbeitsplätze.
Bürgermeister: Unbedingt, das müssen wir tun, 4.000 Arbeitsplätze.
Bundeskanzler: Wie schon sagte unser ehemaliger Parteivorsitzender: Mir machen 200 Arbeitslose mehr Sorgen als 19 Mrd. Schulden? Dieser Tradition bleiben wir treu. Natürlich stehen wir dem freien Unternehmertum immer noch skeptisch gegenüber, aber hier geht es schließlich um Wähler, Verzeihung um Schicksale.
Bürgermeister: Völlig richtig. Wen interessieren schon 19. Mrd. Zahlen ja die Steuerzahler, und die verstehen schon, dass es notwendig ist.
Finanzminister: Und was bleibt für uns? 4.000 Wähler für Euch und einer für uns. Wir setzen uns für das freie Unternehmertum ein, und dazu gehört, dass ein Unternehmen, das nicht ordentlich geführt wird oder vom Konsumenten nicht angenommen wird, vom Markt wieder verschwindet.
Bürgermeister: Ganz Ihrer Meinung. Der freie Markt muss gewahrt werden.
Geschäftsmann: Sie wollen mir also Führungsfehler vorwerfen? Mir vorwerfen, dass wir am Markt vorbeiarbeiten würde. Außerdem bin ich auch bereit meine Kunstsammlung an den Staat zu stiften als Gegenleistung.
Bundeskanzler: Das nenne ich doch ein großartiges Angebot. Wir bekommen eine Kunstsammlung im Wert von einer Mill. und schießen dafür 14 Mill. zu. Das ist doch ein gutes Geschäft. Dafür wird sich der Steuerzahler begeistern können. Schließlich ist er sehr kunstinnig, und dazu noch die Arbeitsplätze.
Bürgermeister: Völlig richtig, Herr Bundeskanzler. Da bin ich ganz Ihrer Meinung.
Finanzminister: Aber wir haben das Budget sowieso schon so weit überzogen. Das können wir doch nicht mehr machen. Wir haben dann überhaupt keinen Spielraum mehr für die halbjährliche Erhöhung der Politikergehälter oder die Verdoppelung der Diäten. Man muss sich schon sehr gut überlegen was wichtiger ist.
Bürgermeister: Also wenn Sie das so sehen, dann ist das natürlich keine Frage, nein, wir können nicht helfen.
Geschäftsmann: Aber meine Herren, da wäre doch noch der Urlaub in meinem kleinen Schlösschen in der Bretagne. Ich denke, ich kann es für Sie freimachen für einige Wochen. Was sagen Sie dazu?
Bundeskanzler: Unter diesen Umständen, und zum Wohl unseres Landes, ja, wir werden Ihnen unter die Arme greifen, völlig uneigennützig.
An dieser Stelle haben wir uns zurückgezogen, denn es wurde doch sehr intim, aber es hat sich bestätigt was wir schon immer wussten: Politiker machen immer das, was für das Land und die Menschen das Beste ist, ohne Ansehen der eigenen Person.

Sonntag, 16. März 2014

Soziales, 16. März 2014


Ihnen wird geholfen werden

Franz Pospischil, Franzi, wie er liebevoll von seinen Vertrauten genannt wurde, war so etwas, was man ein treues Parteimitglied und einen vertrauenswürdigen Mitarbeiter nennen konnte. Er war quasi direkt von der Schulbank in des Parteibüro übersiedelt, und hatte sich vom kleinen Sekretär zum Spartenmanager hochgearbeitet. Sein Aufgabengebiet umfasste alle Aspekte des Sozialen, was jedoch bedeutete, dass alles, was sonst nirgends zuordenbar war, auf seinem Schreibtisch landete. Als er an diesem Morgen seinen PC einschaltete, noch einen Schluck Kaffee nahm, um ihn an den Platz zu stellen, der für diesen reserviert war, läutete das Telephon.
„Guten Morgen, Herr Pospischil“, meldete sich seine Sekretärin.
„Guten Morgen, Frau Ribenstiel“, entgegnete Franz Pospischil, wobei er versuchte seiner Stimme so viel Seriosität wie möglich zu verleihen.
„Ein Herr Nader hat geschrieben und möchte sich über eine Abgabe erkundigen“, sagte Frau Magda Ribenstiel sachlich, „Aber der Brief liegt ihnen vor. Ich habe den Herrn in der Leitung. Darf ich ihn zu Ihnen durchstellen?“
„Ja, stellen Sie durch“, sagte Franz Pospischil jovial. Ein Knacken folgte und eine unangenehm dröhnende Stimme erklang. Unwillkürlich musste Franz Pospischil an einen alternden Kapitän denken, doch das war Unsinn. Er ließ sich niemals dazu hinreißen Phantasie zu zeigen, nicht einmal sich selbst gegenüber, denn wer Visionen hat, muss zum Arzt. Das wusste er nur zu gut. Er selbst stand mit beiden Beinen fest im Beton der Parteilinie.
„Hallo?“, ertönte die dröhnende Stimme.
„Guten Morgen, Herr Nader. Was kann ich für Sie tun?“, fragte Franz Pospischil, wieder ganz Herr der objektiven Situation.
„Guten Morgen. Ich habe vor vier Wochen einen Brief geschrieben und möchte eine Antwort“, erklärte Herr Nader.
„Das ist völlig richtig, Herr Nader. Ich habe den Brief auch vorliegen und werde ihn lesen“, erklärte Franz Pospischil freundlich.
„Was heißt, Sie werden ihn jetzt lesen? Haben Sie ihn noch nicht gelesen? Ich dachte, Sie wollten Stellung beziehen und hätten mich deswegen angerufen“, giftete Herr Nader.
„Bitte, Herr Nader, bleiben Sie doch sachlich. Ich bin so entgegenkommend, dass ich Ihren Brief lese“, erklärte Franz Pospischil.
„Und was sagen Sie?“, startete Herr Nader zehn Minuten später einen weiteren Vorstoß.
„Moment, ich merke noch den letzten Beistrichfehler an. Ein wirklich gelungener Brief, durchdacht und gut formuliert“, meinte Franz Pospischil.
„Ich wollte keine Stellungnahme zur Form, sondern zum Inhalt“, sagte Herr Nader.
„Nun, wie Sie wollen, aber ich habe es nur gut gemeint. Sie sollen merken wie umfassend sich unsere Partei sich um die Anliegen seiner Bürger bemüht“, erwiderte Franz Pospischil, ein wenig gekränkt, „So etwas nennt man umfassenden Bürgerservice. Das bietet Ihnen keine andere Partei.“
„Und warum muss ich nun an die Sozialversicherung Beiträge zur Pensionsvorsorge, obwohl ich Pension beziehe?“, fragte Herr Nader direkt.
„Dafür darf ich Sie an die Sozialversicherung verweisen“, erklärte Franz Pospischil ernst.
„Dort habe ich schon angerufen, und mir wurde erklärt, dass es deshalb ist, weil der Gesetzgeber das so eingerichtet hat“, entgegnete Herr Nader, noch dröhnender.
„Dann rufen Sie den Gesetzgeber an“, sagte Franz Pospischil, immer noch die Ruhe selbst.
„Der Gesetzgeber sitzt im Parlament“, meinte Herr Nader.
„Richtig. Dann rufen Sie das Parlament an“, erwiderte Franz Pospischil.
„Und mit Pallas Athene reden? Die Gesetze machen die Regierungsparteien“, erklärte nun Herr Nader.
„Ja, dann rufen Sie dort an“, sagte Franz Pospischil ungerührt.
„Das tue ich doch gerade. Ihre Partei sitzt in der Regierung und beschließt Gesetze, und ich will nun fragen warum das beschlossen wurde“, echauffierte sich Herr Nader.
„Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das betrifft die Sozialversicherung. Ich habe für Sie einen Ansprechpartner. Meine Sekretärin wird Ihnen die Nummer heraussuchen“, entgegnete Franz Pospischil, voller Höflichkeit und Hilfsbereitschaft. Doch da hatte Herr Nader schon aufgelegt.
„Es ist doch immer ein gutes Gefühl, wenn man den Menschen helfen kann“, dachte Franz Pospischil und verließ das Büro, denn für diesen Tag hatte er eindeutig genug gearbeitet. Was für ein Segen er für die Partei, ja für die Nation war, für jeden einzelnen Bürger.

Sonntag, 9. März 2014

Kultur, 09. März 2014


Eine neue Sehenswürdigkeit

Seit wenigen Tagen verfügt unsere schöne Stadt über eine neue Sehenswürdigkeit. Mitten am Hauptplatz, direkt neben der altehrwürdigen Pestsäule, ist ein neues schönes Gebäude zu entdecken. Nach langwierigen Ausscheidungsverfahren (im wahrsten Sinne des Wortes, kennt man einmal den Zweck dieses Gebäudes), entschied sich die Stadt für eine Spiegelversion, d.h. alle vier Außenwände sind mit Spiegeln verkleidet, so dass sich die Gebäude des Hauptplatzes darin spiegeln und sie noch besser zur Geltung bringen. Eine großartige Erweiterung unseres reichen Kulturlebens.

Doch dieses Gebäude ist nicht nur kulturell wertvoll, nein, es ist auch durchaus zweckdienlich, denn es handelt sich um die neue öffentliche Bedürfnisanstalt. Wer es schafft diese zu betreten und wenige stille Minuten darin zu verbringen, will dieses Erlebnis nicht mehr missen. Wie bei allen Neuerungen waren die Menschen zunächst skeptisch, sowohl Einheimische als auch Touristen, doch schon innerhalb kürzester Zeit löste sich diese Skepsis in Wohlgefallen, wenn nicht gar in Euphorie auf.

„Ein kleiner Urlaub, mitten im Urlaub“, schwärmte eine Touristin, „Waldluft und Wärme, drinnen, spiegelnde Verspieltheit außen.“
„Ich warte nun schon seit zwei Stunden in der Schlange. Es verlangt eine gewisse Disziplin, aber ich habe es mir genau eingeteilt, dass es der rechte Moment ist, wenn ich an der Reihe bin“, erklärte ein anderer Tourist überzeugt.
„Ich mag gar nicht mehr zu Hause gehen“, erklärte ein Einheimischer und Stammgast des Gebäudes, „So schön ist es nirgends.“

Ein wahrer Boom auf diese neue Sehenswürdigkeit hat eingesetzt, bekannt gemacht über Facebook, Twitter und Co,, erfreut sich Mustermannshausen ausgebuchter Betten in sämtlichen Beherbergungsbetrieben. War es in den ersten beiden Tagen noch so, dass die Besucher ihre Besichtigungsliste einfach um diese Sehenswürdigkeit erweiterten, so ist es mittlerweile so, dass sie ausschließlich um dieser Sehenswürdigkeit willen anreisen. Man kann beobachten, dass sie am Fenster ihres Hotelzimmers stehen und den geeigneten Moment abwarten, wo ausnahmsweise keine Schlange Wartender davor steht, doch das kommt immer seltener vor. Tag und Nacht wird es gleichermaßen frequentiert. Über den kulturellen Wert hinaus, erfüllt es auch einen sozialen Zweck. Die Menschen, die hier warten, haben das selbe Ziel vor Augen, so dass sich immer ein Gesprächsthema findet. Letzens fand sogar eine Trauung vor den Toren der Bedürfnisanstalt statt.
„Hier haben wir uns kennen und lieben gelernt“, erklärte die glückliche Braut.
„Und hier wollten wir uns trauen lassen, wo uns so viele Erinnerungen verbinden, an befreiende Momente“, fügte der Bräutigam hinzu.

Doch auch hier melden sich böse Stimmen, die behaupten, dass die Stadt € 165.000,-- in dieses neue Gebäude investiert hat. Das ist natürlich eine haarsträubende Lüge, denn es handelt sich nur um lächerliche € 150,000,--. Lächerlich, nicht, weil es wenig Geld wäre, sondern weil man die positiven Auswirkungen für die Stadt, ja für die gesamte Region, negiert. Von überall her erreichen uns Dankesschreiben. Wieder einmal ist Mustermannshausen Vorreiter in einer großartigen kulturellen Sparte, die immer noch viel zu gering geschätzt wird.
„Innerhalb von einem Jahr wird sich diese Investition amortisiert haben, von der Umwegrentabilität ganz zu schweigen“, zeigt sich unser sehr verehrter Herr Bürgermeister zuversichtlich, „Denn nur Erfolge können die ewigen Nörgler zum Schweigen bringen. Aber auch an den besten Dingen werden sie immer noch ein Haar in der Suppe finden. Apropos, es wird wohl Zeit für die zweite Vormittagsjause. Ich muss mich beeilen, sonst geht sich die vor dem Mittagessen nicht mehr aus.“
Dann wollen wir unseren vielbeschäftigten Bürgermeister nicht länger aufhalten. Guten Appetit!