Sonntag, 16. März 2014

Soziales, 16. März 2014


Ihnen wird geholfen werden

Franz Pospischil, Franzi, wie er liebevoll von seinen Vertrauten genannt wurde, war so etwas, was man ein treues Parteimitglied und einen vertrauenswürdigen Mitarbeiter nennen konnte. Er war quasi direkt von der Schulbank in des Parteibüro übersiedelt, und hatte sich vom kleinen Sekretär zum Spartenmanager hochgearbeitet. Sein Aufgabengebiet umfasste alle Aspekte des Sozialen, was jedoch bedeutete, dass alles, was sonst nirgends zuordenbar war, auf seinem Schreibtisch landete. Als er an diesem Morgen seinen PC einschaltete, noch einen Schluck Kaffee nahm, um ihn an den Platz zu stellen, der für diesen reserviert war, läutete das Telephon.
„Guten Morgen, Herr Pospischil“, meldete sich seine Sekretärin.
„Guten Morgen, Frau Ribenstiel“, entgegnete Franz Pospischil, wobei er versuchte seiner Stimme so viel Seriosität wie möglich zu verleihen.
„Ein Herr Nader hat geschrieben und möchte sich über eine Abgabe erkundigen“, sagte Frau Magda Ribenstiel sachlich, „Aber der Brief liegt ihnen vor. Ich habe den Herrn in der Leitung. Darf ich ihn zu Ihnen durchstellen?“
„Ja, stellen Sie durch“, sagte Franz Pospischil jovial. Ein Knacken folgte und eine unangenehm dröhnende Stimme erklang. Unwillkürlich musste Franz Pospischil an einen alternden Kapitän denken, doch das war Unsinn. Er ließ sich niemals dazu hinreißen Phantasie zu zeigen, nicht einmal sich selbst gegenüber, denn wer Visionen hat, muss zum Arzt. Das wusste er nur zu gut. Er selbst stand mit beiden Beinen fest im Beton der Parteilinie.
„Hallo?“, ertönte die dröhnende Stimme.
„Guten Morgen, Herr Nader. Was kann ich für Sie tun?“, fragte Franz Pospischil, wieder ganz Herr der objektiven Situation.
„Guten Morgen. Ich habe vor vier Wochen einen Brief geschrieben und möchte eine Antwort“, erklärte Herr Nader.
„Das ist völlig richtig, Herr Nader. Ich habe den Brief auch vorliegen und werde ihn lesen“, erklärte Franz Pospischil freundlich.
„Was heißt, Sie werden ihn jetzt lesen? Haben Sie ihn noch nicht gelesen? Ich dachte, Sie wollten Stellung beziehen und hätten mich deswegen angerufen“, giftete Herr Nader.
„Bitte, Herr Nader, bleiben Sie doch sachlich. Ich bin so entgegenkommend, dass ich Ihren Brief lese“, erklärte Franz Pospischil.
„Und was sagen Sie?“, startete Herr Nader zehn Minuten später einen weiteren Vorstoß.
„Moment, ich merke noch den letzten Beistrichfehler an. Ein wirklich gelungener Brief, durchdacht und gut formuliert“, meinte Franz Pospischil.
„Ich wollte keine Stellungnahme zur Form, sondern zum Inhalt“, sagte Herr Nader.
„Nun, wie Sie wollen, aber ich habe es nur gut gemeint. Sie sollen merken wie umfassend sich unsere Partei sich um die Anliegen seiner Bürger bemüht“, erwiderte Franz Pospischil, ein wenig gekränkt, „So etwas nennt man umfassenden Bürgerservice. Das bietet Ihnen keine andere Partei.“
„Und warum muss ich nun an die Sozialversicherung Beiträge zur Pensionsvorsorge, obwohl ich Pension beziehe?“, fragte Herr Nader direkt.
„Dafür darf ich Sie an die Sozialversicherung verweisen“, erklärte Franz Pospischil ernst.
„Dort habe ich schon angerufen, und mir wurde erklärt, dass es deshalb ist, weil der Gesetzgeber das so eingerichtet hat“, entgegnete Herr Nader, noch dröhnender.
„Dann rufen Sie den Gesetzgeber an“, sagte Franz Pospischil, immer noch die Ruhe selbst.
„Der Gesetzgeber sitzt im Parlament“, meinte Herr Nader.
„Richtig. Dann rufen Sie das Parlament an“, erwiderte Franz Pospischil.
„Und mit Pallas Athene reden? Die Gesetze machen die Regierungsparteien“, erklärte nun Herr Nader.
„Ja, dann rufen Sie dort an“, sagte Franz Pospischil ungerührt.
„Das tue ich doch gerade. Ihre Partei sitzt in der Regierung und beschließt Gesetze, und ich will nun fragen warum das beschlossen wurde“, echauffierte sich Herr Nader.
„Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das betrifft die Sozialversicherung. Ich habe für Sie einen Ansprechpartner. Meine Sekretärin wird Ihnen die Nummer heraussuchen“, entgegnete Franz Pospischil, voller Höflichkeit und Hilfsbereitschaft. Doch da hatte Herr Nader schon aufgelegt.
„Es ist doch immer ein gutes Gefühl, wenn man den Menschen helfen kann“, dachte Franz Pospischil und verließ das Büro, denn für diesen Tag hatte er eindeutig genug gearbeitet. Was für ein Segen er für die Partei, ja für die Nation war, für jeden einzelnen Bürger.

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