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Franz Pospischil, Franzi, wie er liebevoll
von seinen Vertrauten genannt wurde, war so etwas, was man ein treues
Parteimitglied und einen vertrauenswürdigen Mitarbeiter nennen konnte. Er war
quasi direkt von der Schulbank in des Parteibüro übersiedelt, und hatte sich
vom kleinen Sekretär zum Spartenmanager hochgearbeitet. Sein Aufgabengebiet
umfasste alle Aspekte des Sozialen, was jedoch bedeutete, dass alles, was sonst
nirgends zuordenbar war, auf seinem Schreibtisch landete. Als er an diesem
Morgen seinen PC einschaltete, noch einen Schluck Kaffee nahm, um ihn an den
Platz zu stellen, der für diesen reserviert war, läutete das Telephon.
„Guten Morgen, Herr Pospischil“, meldete
sich seine Sekretärin.
„Guten Morgen, Frau Ribenstiel“, entgegnete
Franz Pospischil, wobei er versuchte seiner Stimme so viel Seriosität wie
möglich zu verleihen.
„Ein Herr Nader hat geschrieben und möchte
sich über eine Abgabe erkundigen“, sagte Frau Magda Ribenstiel sachlich, „Aber
der Brief liegt ihnen vor. Ich habe den Herrn in der Leitung. Darf ich ihn zu
Ihnen durchstellen?“
„Ja, stellen Sie durch“, sagte Franz
Pospischil jovial. Ein Knacken folgte und eine unangenehm dröhnende Stimme
erklang. Unwillkürlich musste Franz Pospischil an einen alternden Kapitän
denken, doch das war Unsinn. Er ließ sich niemals dazu hinreißen Phantasie zu
zeigen, nicht einmal sich selbst gegenüber, denn wer Visionen hat, muss zum
Arzt. Das wusste er nur zu gut. Er selbst stand mit beiden Beinen fest im Beton
der Parteilinie.
„Hallo?“, ertönte die dröhnende Stimme.
„Guten Morgen, Herr Nader. Was kann ich für
Sie tun?“, fragte Franz Pospischil, wieder ganz Herr der objektiven Situation.
„Guten Morgen. Ich habe vor vier Wochen
einen Brief geschrieben und möchte eine Antwort“, erklärte Herr Nader.
„Das ist völlig richtig, Herr Nader. Ich
habe den Brief auch vorliegen und werde ihn lesen“, erklärte Franz Pospischil
freundlich.
„Was heißt, Sie werden ihn jetzt lesen?
Haben Sie ihn noch nicht gelesen? Ich dachte, Sie wollten Stellung beziehen und
hätten mich deswegen angerufen“, giftete Herr Nader.
„Bitte, Herr Nader, bleiben Sie doch
sachlich. Ich bin so entgegenkommend, dass ich Ihren Brief lese“, erklärte
Franz Pospischil.
„Und was sagen Sie?“, startete Herr Nader
zehn Minuten später einen weiteren Vorstoß.
„Moment, ich merke noch den letzten
Beistrichfehler an. Ein wirklich gelungener Brief, durchdacht und gut formuliert“,
meinte Franz Pospischil.
„Ich wollte keine Stellungnahme zur Form,
sondern zum Inhalt“, sagte Herr Nader.
„Nun, wie Sie wollen, aber ich habe es nur
gut gemeint. Sie sollen merken wie umfassend sich unsere Partei sich um die
Anliegen seiner Bürger bemüht“, erwiderte Franz Pospischil, ein wenig gekränkt,
„So etwas nennt man umfassenden Bürgerservice. Das bietet Ihnen keine andere
Partei.“
„Und warum muss ich nun an die
Sozialversicherung Beiträge zur Pensionsvorsorge, obwohl ich Pension beziehe?“,
fragte Herr Nader direkt.
„Dafür darf ich Sie an die
Sozialversicherung verweisen“, erklärte Franz Pospischil ernst.
„Dort habe ich schon angerufen, und mir
wurde erklärt, dass es deshalb ist, weil der Gesetzgeber das so eingerichtet
hat“, entgegnete Herr Nader, noch dröhnender.
„Dann rufen Sie den Gesetzgeber an“, sagte
Franz Pospischil, immer noch die Ruhe selbst.
„Der Gesetzgeber sitzt im Parlament“,
meinte Herr Nader.
„Richtig. Dann rufen Sie das Parlament an“,
erwiderte Franz Pospischil.
„Und mit Pallas Athene reden? Die Gesetze
machen die Regierungsparteien“, erklärte nun Herr Nader.
„Ja, dann rufen Sie dort an“, sagte Franz
Pospischil ungerührt.
„Das tue ich doch gerade. Ihre Partei sitzt
in der Regierung und beschließt Gesetze, und ich will nun fragen warum das
beschlossen wurde“, echauffierte sich Herr Nader.
„Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das
betrifft die Sozialversicherung. Ich habe für Sie einen Ansprechpartner. Meine
Sekretärin wird Ihnen die Nummer heraussuchen“, entgegnete Franz Pospischil, voller
Höflichkeit und Hilfsbereitschaft. Doch da hatte Herr Nader schon aufgelegt.
„Es ist doch immer ein gutes Gefühl, wenn
man den Menschen helfen kann“, dachte Franz Pospischil und verließ das Büro,
denn für diesen Tag hatte er eindeutig genug gearbeitet. Was für ein Segen er
für die Partei, ja für die Nation war, für jeden einzelnen Bürger.
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