Sonntag, 16. August 2015

Sicherheitspolitik, 16. August 2015:


Moderne Hexen

Besorgniserregende Zustände nehmen unseren schönen, mustergültigen Ort in Beschlag. Der ansässige Apotheker war den Tränen nahe, als er sich an jenem Morgen in den Wilden Ochsen schleppte, denn er sah nur mehr einen Ausweg aus seiner miserablen Situation, die darin bestand, dass er sich zwar einen neuen Maserati kaufen konnte, aber nun die Gefahr bestand, dass die Garage nicht mehr gebaut werden würde, da ihm schlicht und ergreifend die Mittel fehlten. Und was war schuld an der ganzen Misere? Diese Kräuterhexe, diese vermaledeite, die die Menschen nicht nur mit Heilmittel versorge, nein, sie machte sie auch tatsächlich gesund. Das war überhaupt nicht im Sinne des Erfinders. Dem musste so schnell wie möglich ein Ende gesetzt werden. Nicht zuletzt wegen seinem Maserati, dem nicht zugemutet werden konnte, dass er im Freien Wind und Wetter ausgesetzt sein sollte, aber auch wegen all der armen Renditeeinheimser der Pharmaindustrie, die ihre Felle davonschwimmen sehen mussten, würden die Menschen wirklich gesund werden. Gesund, was für eine schreckliche Vorstellung.
„Max“, begann er deshalb sein Plädoyer gegenüber dem Bürgermeister, der gerade sein zweites Frühstück beendet hatte und dementsprechend guter Laune war, „Wir müssen dem Treiben dieser Dame so schnell wie möglich ein Ende setzen.“
„Aha“, entgegnete der Bürgermeister gedehnt und sah seinen alten Freund mit müden Augen an, „Und warum?“
„Stell Dir vor, mit Medikamenten ist es so“, begann der Apotheker seine Erklärung, der sich durchaus darüber im Klaren war, es langsam und so einfach möglich halten zu müssen, „Da gibt es große Firmen, die lange Jahre der Forschung bezahlen um ein für die Menschen wirksames Mittel auf den Markt zu bringen. Viele Menschen sind an dieser Entwicklung beteiligt und auch viele Tiere, die mit Freude ihr Leben opfern. Das kostet viel Geld, das wieder verdient werden muss. Damit das Geld wieder verdient werden kann, müssen die Menschen die entsprechenden Krankheiten im entsprechenden Ausmaß haben. Also z.B. Kopfschmerzen. Da kommt der Arzt ins Spiel. Er diagnostiziert, Kopfschmerzen. Dann verschreibt er das Mittel, das ihm am meisten ans Herz gelegt wurde. Mit dem Rezept kommt der Mensch in die Apotheke, wovon ich mein karges Leben friste. Doch das Medikament darf gerade so viel Nutzen zeigen, dass der Mensch sich besser fühlt, aber dennoch die Kopfschmerzen immer wieder kommen. Das nennt man dann chronisch, was dazu führt, dass er das Medikament über Jahre weiternimmt. Alle sind zufrieden, die Pharmazie, die immer mehr verkauft, der Arzt, der ohne Arbeit immer wieder was verschreiben kann, der Apotheker, der davon recht und schlecht leben kann und der Patient, der immer wieder eine Erleichterung erfährt, aber dennoch an seine Endlichkeit gemahnt wird. Doch jetzt kommt diese Kräuterhexe, die sich einfach irgendein Heilkraut aus der Natur holt, das dort einfach gratis wächst, gibt es gratis weiter und die Menschen werden geheilt, einfach so. Alle verlieren. Die Pharmaindustrie kann nichts verkaufen. Der Arzt hat keine Patienten und der Apotheker keine Kunden. Und nicht nur das, die gibt das Wissen auch noch weiter. Wenn das so weitergeht, dann geht alles zugrunde, denn die Menschen werden davon gesund, also richtig, so dass sie nichts mehr brauchen. Zum Schluss sind sie auch durch das Wissen so unabhängig, dass sie sich das Mittel selbst holen können. Und es gibt keine Nebenwirkungen, die überhaupt das schönste sind, denn dann kann man auch was gegen die Nebenwirkungen verkaufen. Dieser Unsitte muss ein Ende gesetzt werden, sofort. Du musst ihr verbieten die Menschen gesund zu machen und auch, dass je wieder jemand weiß, dass das geht.“
„Nun, das verstehe ich sehr gut“, erklärte der Bürgermeister gemütlich, „Aber es ist gar nicht notwendig, das wird schon in der EU vorbereitet und die ersten Scheiterhaufen errichtet.“
Zufrieden zog der Apotheker ab, in der wohlbegründeten Hoffnung nun doch bald seinen Maserati in Sicherheit bringen zu können.

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