Montag, 31. August 2015

Mikroökonomie, 31. August 2015:


Es muss mehr konsumiert werden

Die Menschen werden aufmüpfig. Manche fangen an zu lesen, Texte, die neben den Bildern stehen, die sie sich bisher ansahen. Aber nicht nur, dass sie sie lesen. Das wäre noch nicht das größte Problem. Sie lesen und machen sich Gedanken über das Gelesene. Vielleicht verstehen sie zunächst nicht, doch das kommt dann leider, und zuletzt, dann hinterfragen sie. Denn irgendwann entdecken sie, dass sie einen eigenen Verstand haben, den sie benutzen können. Sie entdecken eine weitere Funktion als die einen Hut darauf zu setzen oder eine Haarspange anzubringen oder ein schickes Stirnband. Wenn sie den Hut abnehmen oder die Haarspange oder das Stirnband, dann bleibt der Kopf was er vorher war. Durchaus brauchbar. Auch ohne ihn gekauften Sachen zu verzieren. Und wenn sie das erst entdeckt haben, dann ist es kein weiter Weg mehr dorthin, dass sie nicht nur fremder Leute Gedanken kritisieren können, nein, sie können auch selbst welche entwickeln. Diese selbsterdachten Gedanken, die keine Reglementierung mehr kennen, weil sich immer wieder Leute freischütteln davon, die wachsen, ungezähmt, wuchern, vermehren sich, wagen sich immer weiter vor, und werden – ja man muss es so hart sagen – häretisch. Da tauchen dann so Gedanken auf wie der, dass plötzlich der Güterüberfluss nicht mehr glücklich macht, dass man vielleicht anderes braucht, wie Freunde oder gemeinsames Erleben. Dagegen gäbe es prinzipiell nichts Einzuwenden, wenn es nicht den fundamentalen Regeln widersprechen würde: All das sind Dinge, die in der Anschaffung nichts kosten und auch durch Gebrauch nicht kaputt gehen. Das muss schleunigst unterbunden werden, denn sonst kommen die Menschen zu einer Conclusio, die sie nie erreichen dürfen: Konsum ist auf weite Strecken entbehrlich. Damit fiele das arbeitslose Einkommen weg und niemand könnte sich mehr zurücklehnen und von den Dividenden leben. Bei einem eiligst einberufenen Gipfel wurde die Lösung für dieses brisante Problem gefunden, und zwar die einzig mögliche:

Wir müssen die Geschäfte rund um die Uhr, jeden Tag der Woche, jeden Tag des Jahres offenhalten und damit den Menschen ermöglichen immer zu konsumieren.

Denn wann kommen die Menschen auf die Idee nachzudenken? Wenn sie nichts zu tun haben, d.h. wenn sie nicht beschäftigt werden. Sie gehen arbeiten um sich den Konsum zu finanzieren und weil sie sich den Konsum finanzieren können, tätigen sie diesen auch. Doch dann stehen sie vor verschlossenen Türen. Hilflos stehen sie davor und kommen darauf, dass sie viel zu viel Zeit haben. Und wer viel zu viel Zeit hat sieht sich um Alternativen um. Das darf erst gar nicht passieren. Rund um die Uhr Entertainment, Shopping-Freuden und das ganze mit dem gehörigen Pfiff an Abenteuer. Die Menschen müssen beschäftigt werden. Tag und Nacht. Und wenn sie nicht gerade konsumieren, dann müssen sie über den Konsum reden, müssen davon träumen was sie nicht alles konsumieren könnten. Deshalb müssen ständig neue Produkte auf den Markt kommen. Nicht alle zwei Jahre, nicht jedes Jahr, nein, jedes Monat sollte ein neues Handy da sein, und damit sind sie brav wieder in der Endlosschleife von Arbeit und Konsum, so dass sie wie der Hamster im Rad von einem zum anderen laufen, dass sie keine Ruhe haben um nach links oder rechts zu schauen. Und wer aus dem Rad hinausfällt, der wird bemitleidet. Aber es kommt die Angst, dass man selbst hinausfallen könnte, und so werden sie nur desto fleißiger laufen. Alle Gefahr ist ein für alle mal gebannt.

Deshalb wagt die mustergültigste aller mustergültigen Orte, Mustermannshausen – nomen est oben – als erste den Vorstoß und gibt nicht nur die Öffnungszeiten frei, nein, hier werden die Geschäftsinhaber gezwungen immer offen zu haben, auf dass der Bürger brav und gelassen, und vor allem gedankenlos bleibt.

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