Montag, 11. Mai 2015

Innenpolitik, 11. Mai 2015:


Wenn alles den Bach runtergeht

Wieder einmal macht sich der Unmut breit. Ein wenig Nörgelei, das sind wir ja alle gewohnt, aber nun wird es bereits überbordend, so sehr, dass sich unser sehr geehrter Herr Bürgermeister bemüßigt, wenn nicht gar genötigt fühlte das Wort an uns zu richten, auf dass wieder Ruhe und Eintracht herrsche. Wir erlauben uns diese Worte im Wortlaut wiederzugeben:

Liebe Bürgerinnen und Bürger!

Mit großer Sorge musste ich feststellen, dass sich der Unmut unter den Bürgerinnen und Bürgern unseres schönen, um nicht zu sagen, mustergültigen Ortes breitmacht und die Menschen gegeneinander aufbringt. Die, die Arbeit haben stellen sich gegen die, die keine haben. Die, die Kinder haben stellen sich gegen die, die keine haben. Die, die reich, vermögend oder erbend sind stellen sich gegen die, die arm, unvermögend und ohne Erbe sind. Die, die hier geboren wurden stellen sich gegen die, die hier erst eine neue Heimat fanden. Wahrhaft biblische Zustände herrschen hier, aber keine paradiesischen, sondern wie jene beim Turmbau zu Babel, keiner versteht sich mit keinem mehr. Dabei wäre es doch so einfach, diese Vision zu verwirklichen, wo der Arbeitslose friedlich neben dem Arbeitshaber auf der Parkbank sitzt, soweit zweiterer Zeit dafür hat, der Kinderlose setzt sich neben die Kinderreiche beim Spielplatz, so weit er den überhaupt findet, und der Reiche reicht seine Hand dem Armen, und versteckt vorher sicherheitshalber seine Rolex. Es muss wieder Friede und Einklang herrschen, denn nur so können wir ein funktionierendes Gemeindewesen aufrecht erhalten, dass darin kumuliert, dass wir alle miteinander ab und zu ein Glas Bier trinken können oder Chardonnay, je nach Gusto und Gepflogenheit. Die Gräben müssen geschlossen werden, denn bedenket, die staatlichen Meriten, die der Papa Staat, unser aller Papa so großzügig über uns ausschüttet, nicht einfach nur mit der Gießkanne, nein, er lässt sie regnen. Kein Mensch weiß woher, aber nur Schulter an Schulter können wir sie auffangen, wobei auch hier Unkenrufe laut werden, dass unser Papa kein Geld mehr hat, dass die Wirtschaftsleistung nachlässt und überhaupt angeblich alles den Bach runter geht, auch, weil zu viel in die Verwaltung investiert wird. Mitnichten, sage ich da nur, denn wie bitte soll denn die Wirtschaftsleistung nachlassen, wenn wir doch alle brav Schlange stehen die sozialen Wohltätigkeiten in Empfang zu nehmen und sie schnurstracks in Konsum investieren. Wie könnte denn der Verwaltung zu viel sein, wenn doch jemand da sein muss, der die großen, köstlichen Gaben verwaltet, und vor allem gilt es immer darauf zu schauen, niemanden vor den Kopf zu stoßen, denn wir haben uns alle lieb, ob schwarz ob rot ob blau ob braun – nein, die nicht mehr, aber dafür alle anderen, auch pink, und so muss für alle ein Plätzchen vorgegeben sein. Böse Zungen nennen das Proporz. Ich nenne es Annäherung an paradiesische Zustände, die uns allen Wohlstand und großes Glück bescheren, wenn nicht jetzt, dann später, oder gar im nächsten Leben, aber auf jeden Fall ganz bestimmt, und dann noch eines, was die Nörgler und Schwarzseher und Schlechtredner sehr gerne übersehen: Wenn alles den Bach hinunter geht dann fließt es in den Fluss und der Fluss fließt ins Meer und wenn das Meer so vor sich hin geht, immer in Wellen oder ruhig, je nach Wind und Wetter, dann verdunstet das Meer, was auch nichts anderes als der Bach ist, und das wird zu Wolken und die Wolken ziehen weiter, auch bis sie wieder zu uns kommen und dann regnet es und alles fällt wieder auf uns herab, so dass nichts verloren ist, sondern auf einfachste Weise zurückkommt. Aber das sollte doch eigentlich schon jedes Kind wissen, dass dem so ist.

Und wer es noch immer nicht verstanden hat, der soll in sich gehen und auch wieder aus sich, aber nicht fahren, nur gehen.

Und dann wird sich wieder die große Friedfertigkeit über unseren mustergültigen Ort breiten, wie der Teppich unter den wir alles kehren, und ich kann mich wieder der Beschaulichkeit widmen,

Euer über alles geliebter Bürgermeister,
Max Mustermann

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen