Montag, 4. Mai 2015

Gesundheitspolitik, 04. Mai 2015:


Zweiklassenmedizin

Allen das Gleiche, manchen das Gleichere

Marianne W., 23 Jahre alt, Mutter zweier Kinder im Alter von zwei und vier Jahren, ist Hausfrau. Ihr Mann, der für den Lebensunterhalt der Familie sorgt, arbeitet als Maurer. Durch Fleiß und Sparsamkeit konnten sie eine Wohnung mit einem kleinen Gärtchen erwerben, in dem sie nun glücklich leben. Jennifer H., ebenfalls 23 Jahre alt und Studentin der Altphilologie, Tochter des allseits bekannten und bewunderten Industriemagnaten H.H., bewohnt in der Stadt, in der sie studiert, eine großzügiges Penthouse mit Pool und Dachterrasse in einem der nobelsten Viertel und hat es mit dem Studium nicht allzu eilig, da es in absehbarer Zeit nicht notwendig sein wird, dass sie sich ihren Lebensunterhalt durch so etwas Schnödes wie Arbeit verdienen muss.

Marianne W. ist glücklich mit ihrer Familie und dem, was sie sich aufgebaut haben.
Jennifer H. ist unstet und depressiv, niemals zufrieden mit dem, was sie hat.

Das kling nicht nur klischeebeladen, das ist es auch. Und doch ist es die Wahrheit.

Anfang des Jahres erhielten beide dieselbe Diagnose von ihrem Arzt: Krebs.

Marianne W.s Arzt ist ein normaler Krankenkassenarzt.
Jennifer H.s Arzt ist ein hochbezahlter Spezialist, der privat bezahlt wird.

Nun, bis auf die Tatsache, dass der eine Arzt von der Krankenkasse sein Honorar erhält, und der andere von seinen gutbetuchten Privatpatienten, dürfte es eigentlich keinen Unterschied machen. Oder doch?

Marianne W. wartete 5 Wochen auf ihren MR-Termin.
Jennifer H. wartete 5 Stunden auf den selben Termin.

Marianne W. starb ein halbes Jahr nach der Erstellung der Diagnose.
Jennifer H. befindet sich auf dem Weg der Besserung.

Marianne W. hinterließ zwei kleine Kinder und einen Mann, der nun nicht weiß wie er seine Kinder versorgen soll, denn er muss nach wie vor arbeiten gehen und auch noch die Pflichten seiner verstorbenen Frau übernehmen. Abgesehen davon, dass die Kinder nun Halbwaisen sind und ihre Mutter schmerzlich vermissen.
Jennifer H. beklagt den Verlust ihres seidig weichen Haars und der Unversehrtheit ihres straffen, wohlgeformten Körpers, der durch die Chemotherapie ausgemergelt wirkt und die eine oder andere Operationsnarbe trägt.

Marianne W. wartete vergeblich auf eine entsprechende Behandlung.
Jennifer H. hadert mit den Folgen einer umgehenden Behandlung.

So verfügen wir über eines der besten Gesundheitssysteme der Welt und auch wenn jetzt der eine oder andere denken mag, dass es sich um Ungerechtigkeiten handelt, so muss dem entgegengehalten werden, dass vom pragmatischen wirtschaftlichen Standpunkt aus das Überleben der Jennifer H. von weitaus größerer Bedeutung war, da diese sehr viel mehr ins System einzahlt, als sie dasselbe kostet. Darüber hinaus muss auch die Gesamtlebenszeit und Konsumpotenz nicht außer Acht gelassen werden.

Marianne W. hätte während ihres Lebens mehr Kosten verursacht als sie Nutzen gebracht hätte.
Jennifer H. bringt während ihres Lebens mehr Nutzen für Staat und Gesellschaft als sie Kosten verursacht.

Wer es schafft sich endlich von diesem weinerlich, emotionalen Denken zu verabschieden und konstruktiv an die Sache herangeht, versteht auch die Notwendigkeit dieses Vorgehens, das auch ab und an Opfer fordert.

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