Pärchen statt Männchen[1]
Grüne Ampelpärchen,
männlich, weiblich,
laden auf die Straße ein,
doch wenn sie rot sind,
gib gut acht,
keinen Schritt mehr mach.
Eine kuriose oder – offen
gesprochen – grandiose Idee erreichte und vor einigen Tagen aus der
Bundeshauptstadt. Die Neuigkeiten brauchen eben eine Weile, so weit übers Land,
aber jetzt sind sie eingetroffen und haben durchweg Zuspruch gefunden. Endlich
gibt es sie, die neuen Männchen auf den Fußgängerampeln. Jedes Mal, wenn ich
bei so einer Ampel stand, dann sah ich hinauf zu diesem armen, einsamen
Männchen. Ganz verschüchtert und verängstigt erschien es mir. Aber wie sollte
es auch anders sein, denn wenn es seinen Blick auch nur ganz kurz nach rechts
wandte, dann sah es all die Menschen, die lachend und scherzend und immer
fröhlich da an der Ampel standen, immer miteinander und niemals einsam, so wie
es selbst, so dass ihm dicke, heiße Tränen über die Wangen liefen, bis die
Tränen ausgeweint waren. Es hatte niemand bemerkt, denn wer achtet schon auf
solch ein armes, kleines Ampelmännchen. Nur in seiner Funktion wird es gesehen,
geflucht und geschimpft, wenn es rot ist, weil die Menschen meinen, das
Männchen sei daran schuld, dass sie nicht weitergehen dürften, und wenn es auf
grün stand ebenso, weil die Menschen meinten, es stände zu kurz auf grün.
Deshalb reagierte das arme kleine Ampelmännchen auf die einzig mögliche Art und
Weise, es zog sich immer mehr in sich selbst zurück, bis sein Herz so verhärtet
war, dass niemand mehr an es herankam. Aber so konnte es auch niemand mehr
verletzen. Ich habe sie gesehen, die Qual. Jedes Mal, wenn ich an solch einer
Ampel stand, da versuchte ich das Männchen auf mich aufmerksam zu machen, ihm
zu sagen, dass es noch Menschen gibt, die ihm ihre Aufmerksamkeit schenkten,
und vor allem, dass es die Hoffnung nicht aufgeben solle. Irgendwann würde der
Tag kommen, da würde es nicht mehr allein sein müssen, irgendwann, doch es
schien, als hätte das Männchen die Hoffnung längst aufgegeben. Und tatsächlich,
ich war nicht die einzige. Mehr Menschen machten sich Gedanken, bis es die
richtigen waren oder sich die Angelegenheit bis zu den Richtigen
herumgesprochen hatte, die die nicht nur Änderungen wollten, sondern sie auch
herbeiführen könnten. Und sie haben nicht nur gekonnt, sondern sie haben auch
getan, was doch sehr bemerkenswert ist, wenn man ein wenig mit den
österreichischen Verhältnissen vertraut ist. Aber nicht nur ein bisschen,
sondern gleich ordentlich. So wird nun jedes Ampelmännchen nicht nur zu einem
Ampelpärchen, sondern zu einem passenden noch dazu. Jedes einzelne wird nach
seiner sexuellen Orientierung gefragt, so dass nun bald zwei Ampelmännchen,
zwei Ampelweibchen oder ein Ampelmännchen mit einem Ampelweibchen zu sehen sein
werden. Nie mehr wird es einsam und verlassen sein, sondern immer Gesellschaft
haben. Das muss uns doch € 63.000,-- wert sein – denn wem liege ihr Glück nicht
am Herzen, wer könnte da einfach zusehen? Deshalb möchten wir dieses Konzept
auch so schnell wie möglich in Mustermannshausen umsetzen, was sich als sehr
einfach erweist, denn bei uns, in unserem mustergültigen Ort gibt es – so wie
Kirche und Natur es wollen – ausschließlich heterosexuelle Pärchen. Das gilt
für die Menschen ebenso wie für die Ampelmännchen. Und so wird es uns gelingen,
dass jedes Ampelmännchen und –weibchen glücklich und zufrieden leben darf, bis
an ihr selig Ende. Amen!
[1] http://www.krone.at/Wien/Ampelmaennchen_bekommen_um_63.000_Euro_Gesellschaft-An_49_Spots_in_Wien-Story-452729
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