Sonntag, 13. April 2014

Abgehört, 13. April 2014:


Schlaf, Kindlein, schlaf!

Liebe Kinder!

Wie ich hörte habt ihr heute Eurer Lehrerin widersprochen. Das sind ganz schlechte Vorzeichen. Nicht, dass ich grundsätzlich behaupten würde, dass Lehrer und etwaige andere quasi Autoritäten immer recht hätten, aber es zeigt mir etwas anderes Verhängnisvolles: Ihr müsst zugehört haben. Das ist gar nicht gut. Wie oft habe ich euch schon gesagt, die Vormittage, die ihr in der Schule verbringt, und abzüglich aller Ferien, Feiertage, schulautonomen Tage, ausgefallen Stunden wegen Sitzungen, Konferenzen, Nach- oder Vorferienausruhtagen, sind das sowieso nicht allzu viele, solltet ihr euch ausruhen und relaxen. Natürlich könnt ihr die Zeit auch nutzen um was zu lernen, aber das klappt nicht, wenn ihr euch davon ablenken lasst, dass ihr dem Lehrer zuhört. Natürlich kann das auch passieren, aber auf solche Zufälle würde ich mich nicht verlassen. Deshalb setzen wir auf Selbsthilfe und sehen, dass wir am Nachmittag die Bildung erwerben, die euch das System verwehrt. Denn wenn ihr nicht auf mich hört, so werdet ihr dort landen, wo die ehemaligen SS-Offiziere und deren würdige Nachfolger, KZ-Aufsichtspersonal und ähnlich denkende Menschen nun das Sagen haben, am Arbeitsamt, oder wie es heute heißt, Arbeitsmarktservice. Ich will euch keine Angst machen, nur die Realität vor Augen führen, denn wenn ihr einmal arbeitslos seid und euch um Unterstützung umseht, so solltet ihr erst alle persönlichen Möglichkeiten ausschöpfen, bevor ihr euch auf das Amt begebt. Denn dort läuft es folgendermaßen ab: Ihr geht hinein und bekommt den ersten Stempel auf die Stirn gepresst: unfähig. Der ist übrigens so konzipiert, dass er sich einbrennt und für den Rest eures Lebens nicht mehr abgeht. Seid ihr noch jung, nun dann könnt ihr es vielleicht noch schaffen halbwegs unbeschadet daraus hervorzugehen. Nach dem Stempel beim Eintritt werdet ihr einem Betreuer zugewiesen, der euch den zweiten Stempel verpasst, der das persönliche Zeichen des Betreuers darstellt und damit eure ewige Knechtschaft besiegelt. Ihr erzählt ihm vielleicht von dem was ihr schon gelernt habt, wo eure Stärken liegen und was ihr für Interessen habt.
„So, so, Sie interessieren sich also für ein Handwerk“, sagt der Betreuer und lehnt sich gemächlich in seinem Stuhl zurück, „Na, dann ist es doch das Beste, Sie gehen in einen Kurs für Handarbeit. Da ist doch gerade ein Platz frei. Hier ist der Schein. Am Montag geht’s los.“
„Aber ich meinte eher etwas in Richtung Tischler oder so“, versuchst Du schüchtern einzuwerfen.
„Ich weiß genau was für Sie gut ist. Oder zweifeln Sie meine Kompetenz an?“, und Du bekommst einen scharfen Blick neben dem scharfen Ausdruck, und wehe Du gehst nicht hin, in den Handarbeitskurs, und wehe Du erdreistest Dich während der Laufzeit des Kurses einen Arbeitsplatz zu finden, denn Du musst zuerst den Kurs, der für Dich gut ist, absolvieren, damit Du dann einen Arbeitsplatz findest. Und so wird es weitergehen bis ihr zuletzt kurz vor der Pensionierung steht. Da lernt ihr dann nochmals schnell Bewerbungen zu schreiben oder macht noch mal einen Excel-Kurs, den 23 in eurem Leben, denn schließlich hat sich doch so viel weiterentwickelt. Wollt ihr das? Wollt ihr das wirklich erleben? Nein, dann rate ich euch dringend, widersprecht eurer Lehrerin nicht, und jetzt schlaft endlich.

Dieses Gespräch zwischen einem Vater und seinen Kindern wurde heimlich aufgenommen und zeigt was doch für schreckliche Gerüchte über unsere Ämter in der Bevölkerung kursieren. Die Redaktion distanziert sich vehement davon, in Trauer und Demut.

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