Sonntag, 13. Juli 2014

Recht und Ordnung, 13. Juli 2014: Interessensabwägung


Interessensabwägung

„Wenn ich Sie also recht verstehe, Frau Professor“, versuchte Maria Marana, Reporterin beim feministischen Untergrundblatt Mustermannshausen „Femme“, das Unerhörte der Aussage zusammenzufassen, „dann gibt es selbst in unserem Rechtsstaat Dinge und Einrichtungen, die von Rechts wegen erlaubt sind, auch wenn die Gefahr für Leib und Leben, für psychische und physische Gesundheit mancher Menschen dadurch massivst bedroht sind?“ „Genau so ist es“, bestätigte Frau Professor Sophia Lang rundweg, „Allerdings geht es hier um eine Interessensabwägung. Wird mehr Schaden angerichtet indem man die Dinge bzw. Einrichtungen erlaubt oder dadurch, dass man sie untersagt. Es gibt nicht auf der Welt, das nur gut und nichts was nur schlecht ist, so dass man entscheiden muss respektive der Gesetzgeber, ob das Gute oder das Schlechte überwiegt. Sobald das Gute überwiegt, also die Mehrheit der Menschen einen positiven Nutzen daraus zieht, ist der Gesetzgeber gehalten dies beizubehalten. Die wenigen, die Schaden nehmen, nun, die muss man eben im Sinne der Allgemeinheit in Kauf nehmen. Das ist nun mal das Grundübel des demokratischen Rechtsstaates.“ „Das klingt recht überzeugend, auch wenn ich mir darunter nun nichts Rechtes vorstellen kann“, entgegnete Maria Marana, „Aber vielleicht hätten sie die Güte und geben uns ein Beispiel, damit unsere Leserinnen sich besser zurecht finden.“ „Mit dem größten Vergnügen“, erklärte sich Frau Professor Lang sofort bereit der Bitte der Reporterin zu entsprechen, „Es ist eine Institution, die uns allen vertraut ist, ja nicht nur vertraut, alle von uns sind in irgendeiner Weise damit verbunden und darin verhaftet, und zwar ein Leben lang. Ich will nicht von 100% sprechen, doch die, die es schaffen sich von ihr abzuwenden, vermögen sie doch nie ganz aus ihren Gedanken zu verbannen. Sie kann Heimstatt und Zufluchtsort und Geborgenheit bedeuten.“ „Also grundsätzlich eine gute Einrichtung?“, unterbrach Maria Marana ungestüm. „Grundsätzlich, aber es ist auch die Institution, in der am meisten Gewalt ausgeübt wird. Machtmissbrauch und Unterdrückung finden darin ungestraft, da fast immer ungesehen, statt. Sie ist die Zuchtstätte von Psychosen und Neurosen. In ihr werden Schizophrenie und Depressionen nach geradezu vererbt.“ „Das klingt ja schrecklich!“, entsetzte sich Maria Marana glaubwürdig, „Und dennoch bleibt sie so wie sie ist? Ich meine, wenn sie schon gute Seiten hat, die dazu berechtigen sie aufrecht zu erhalten, so wäre es doch vielleicht möglich sie zu reformieren, um die negative Seite abzufedern?“ „Nun, der Gedanke wurde schon geäußert und er klingt auch durchaus plausibel, doch diese Institution ist so alt und etabliert, dass sie sich offenbar allein daraus schon das Recht herauszunehmen scheint sich nicht verändern zu müssen“, meinte Frau Professor Lang, „Ihre Befürworter berufen sich quasi auf das Recht der Historie, was nicht unbedingt sehr plausibel ist, weil sich sonst nie etwas ändern dürfte, aber es funktioniert nach wie vor.“ „Dann weiß ich wovon Sie sprechen!“, warf Maria Marana freudestrahlend ein. „Na dann sagen Sie mal ob Sie es erkannt haben“, zeigte sich Frau Professor Lang gequält interessiert. „Sie sprechen von der katholischen Kirche“, antwortete Maria Marana, und ein breites Lächeln überzog ihr Gesicht, wie bei einem Kind, das nach langem Suchen ein Spielzeug wiedergefunden hatte. „Nun, wenn ich es recht bedenke, so ist ihr Gedankengang gar nicht so falsch. Viele der vorgebrachten Kritikpunkte sind diesen Institutionen gemein. Gut überlegt“, entgegnete Frau Professor Lang, „Aber in dem Fall meine ich eine Institution, die an sich kleiner ist, aber doch überall vertreten. Ich spreche von dem, was manche Menschen als die Keimzelle unserer Gesellschaft bezeichnen. So gesehen würden sie damit nur bestätigen, wie krank unsere Gesellschaft selbst ist, ich spreche von der Familie.“

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