Revitalisierung einer alten
Tradition
Nachdem die UNESCO die Wiener
Kaffeehaustradition zum Weltkulturerbe erklärt wurde, viel zu spät wohl, aber
immerhin, wird dies in unserem schönen Ort Mustermannshausen als Auftrag
angesehen, eben jene Tradition wiederzubeleben, d.h. nicht nur auf einem Zettel
niederzuschreiben sondern dies wirklich mit Leben zu erfüllen. Nachdem nun
durch Starbucks und Co. große Fehlentwicklungen geschahen, sieht man sich
gezwungen die Runde derer, die diese Tradition tragen auf die wirklich
Wissenden zu beschränken, denn damit geht eine große, nicht zu unterschätzende
Verantwortung einher, und dieses Bewusstsein muss wieder geweckt werden. Um nun
Anbieter zu unterstützen, die diese Tradition fortführen wollen, wird ein
entsprechendes Gütesiegel ausgegeben, das bescheinigt, das in eben jenem
Kaffeehaus strikt im Geiste der alten Tradition gehandelt wird. Dazu gehören
wichtige Merkmale, die für die Erlangung des begehrten Gütesiegels unbedingt
beachtet werden müssen und deren Einhaltung auch regelmäßig kontrolliert wird.
Erstens wird eine gewisse Anzahl an Zeitungen und Zeitschriften aufzuliegen
haben, und zwar ausschließlich in Papierform. Wer es wagt mit Tablet oder Handy
zu erscheinen, wird im ersten Fall schief angesehen, im zweiten
Wiederholungsfall gerügt und im dritten des Lokals verwiesen. Des Weiteren
werden die italienischen Abweichungen von der Karte verbannt, dafür aber
sämtliche Spielarten des Kaffeegenusses wieder angeboten. Auch dies ist durch
Vorweis der entsprechenden Karte nachzuweisen. Darüber hinaus ist es unbedingt
notwendig das Vorhandensein eines grantigen Kellners vorweisen und auch durch
Demonstration belegen zu können. Nicht zuletzt ist es unbedingt angeraten, dass
in jenen Lokalen wieder geraucht werden darf, wenn nicht sogar muss, denn
schließlich soll alles so authentisch wie möglich sein. So weit zu den Auflagen
des Gastronomiebetriebes.
Auf der anderen Seite haben sich auch die
Besucher taxativ aufgezählten Auflagen zu unterwerfen. Der erste Schritt
besteht darin eine Aufnahmeprüfung bestehen zu müssen. Der Kaffeegenießer muss
in der Lage sein sämtliche Arten des Wiener Kaffeeangebotes benennen und
beschreiben zu können, so dass er zu einem wirklichen Bestellvorgang überhaupt
fähig ist, und wer glaubt, dass sich dies darauf beschränkt einen Verlängerten Schwarzen
von einem Großen Schwarzen unterscheiden zu können, der hat weit gefehlt. Des
Weiteren muss der Antragsteller zumindest in groben Zügen über die klassische
Kaffeehausliteratur Bescheid wissen und das eine oder andere Zitat auf Lager zu
haben, versteht sich von selbst. Aller größtes Ansehen genießt derjenige, der
sich seinen eigenen Kaffeehausliteraten hält und diesen auch nachweislich
unterhält, damit jener wiederum in der Lage ist den Unterhaltenden zu
unterhalten, jener auf die, dieser auf jene Weise. Im Anschluss daran wird der
zukünftige Teilnehmer an jener erlauchten Tradition darauf eingeschworen
niemals ein mit Gütesiegel ausgestattetes Kaffeehaus auch nur zu betreten, wenn
er kürzer als eine Stunde zu bleiben gedenkt, denn für den wahren Genuss bedarf
es der Ruhe, ja der Kontemplation. Das kann nicht funktionieren, wenn man nur
hineinläuft, den Kaffee hinunterschüttet wie irgendein x-beliebiges Zeug und
wieder geht. Was für eine Verschwendung dieses feinen, die Jahrhunderte
überdauernden Geschenks der Natur. Erst wenn all dies erfüllt ist, und durch
jährliche Nachprüfung bestätigt wird, kann man sich mit Fug und Recht Besucher
eines Kaffeehauses nennen.
Und wenn man dann die Spreu vom Weizen
getrennt hat, wenn es nicht mehr passieren kann, dass einem statt des
verlangten Verlängerten Schwarzen eine Melange serviert wird, dann werden wir
es erreicht haben, dass die Welt wieder ein Stück weit in Ordnung ist.
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