Sonntag, 17. November 2013

Kultur, 17. November 2013:


Revitalisierung einer alten Tradition

Nachdem die UNESCO die Wiener Kaffeehaustradition zum Weltkulturerbe erklärt wurde, viel zu spät wohl, aber immerhin, wird dies in unserem schönen Ort Mustermannshausen als Auftrag angesehen, eben jene Tradition wiederzubeleben, d.h. nicht nur auf einem Zettel niederzuschreiben sondern dies wirklich mit Leben zu erfüllen. Nachdem nun durch Starbucks und Co. große Fehlentwicklungen geschahen, sieht man sich gezwungen die Runde derer, die diese Tradition tragen auf die wirklich Wissenden zu beschränken, denn damit geht eine große, nicht zu unterschätzende Verantwortung einher, und dieses Bewusstsein muss wieder geweckt werden. Um nun Anbieter zu unterstützen, die diese Tradition fortführen wollen, wird ein entsprechendes Gütesiegel ausgegeben, das bescheinigt, das in eben jenem Kaffeehaus strikt im Geiste der alten Tradition gehandelt wird. Dazu gehören wichtige Merkmale, die für die Erlangung des begehrten Gütesiegels unbedingt beachtet werden müssen und deren Einhaltung auch regelmäßig kontrolliert wird. Erstens wird eine gewisse Anzahl an Zeitungen und Zeitschriften aufzuliegen haben, und zwar ausschließlich in Papierform. Wer es wagt mit Tablet oder Handy zu erscheinen, wird im ersten Fall schief angesehen, im zweiten Wiederholungsfall gerügt und im dritten des Lokals verwiesen. Des Weiteren werden die italienischen Abweichungen von der Karte verbannt, dafür aber sämtliche Spielarten des Kaffeegenusses wieder angeboten. Auch dies ist durch Vorweis der entsprechenden Karte nachzuweisen. Darüber hinaus ist es unbedingt notwendig das Vorhandensein eines grantigen Kellners vorweisen und auch durch Demonstration belegen zu können. Nicht zuletzt ist es unbedingt angeraten, dass in jenen Lokalen wieder geraucht werden darf, wenn nicht sogar muss, denn schließlich soll alles so authentisch wie möglich sein. So weit zu den Auflagen des Gastronomiebetriebes.

Auf der anderen Seite haben sich auch die Besucher taxativ aufgezählten Auflagen zu unterwerfen. Der erste Schritt besteht darin eine Aufnahmeprüfung bestehen zu müssen. Der Kaffeegenießer muss in der Lage sein sämtliche Arten des Wiener Kaffeeangebotes benennen und beschreiben zu können, so dass er zu einem wirklichen Bestellvorgang überhaupt fähig ist, und wer glaubt, dass sich dies darauf beschränkt einen Verlängerten Schwarzen von einem Großen Schwarzen unterscheiden zu können, der hat weit gefehlt. Des Weiteren muss der Antragsteller zumindest in groben Zügen über die klassische Kaffeehausliteratur Bescheid wissen und das eine oder andere Zitat auf Lager zu haben, versteht sich von selbst. Aller größtes Ansehen genießt derjenige, der sich seinen eigenen Kaffeehausliteraten hält und diesen auch nachweislich unterhält, damit jener wiederum in der Lage ist den Unterhaltenden zu unterhalten, jener auf die, dieser auf jene Weise. Im Anschluss daran wird der zukünftige Teilnehmer an jener erlauchten Tradition darauf eingeschworen niemals ein mit Gütesiegel ausgestattetes Kaffeehaus auch nur zu betreten, wenn er kürzer als eine Stunde zu bleiben gedenkt, denn für den wahren Genuss bedarf es der Ruhe, ja der Kontemplation. Das kann nicht funktionieren, wenn man nur hineinläuft, den Kaffee hinunterschüttet wie irgendein x-beliebiges Zeug und wieder geht. Was für eine Verschwendung dieses feinen, die Jahrhunderte überdauernden Geschenks der Natur. Erst wenn all dies erfüllt ist, und durch jährliche Nachprüfung bestätigt wird, kann man sich mit Fug und Recht Besucher eines Kaffeehauses nennen.

Und wenn man dann die Spreu vom Weizen getrennt hat, wenn es nicht mehr passieren kann, dass einem statt des verlangten Verlängerten Schwarzen eine Melange serviert wird, dann werden wir es erreicht haben, dass die Welt wieder ein Stück weit in Ordnung ist.

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