Geht nicht - gibt's nicht!
Ich hatte mir ein neues Handy
gekauft, weil das alte, ja, weil es eben alt war. Ganze zwei Jahre schon, und
das kratzt dann doch schon am Methusalemstatus. Und weil ich gerade so lustig
war und mein alter Vertrag ausgelaufen war, verschüttet quasi, dachte ich mir,
wechsel ich doch auch gleich den Anbieter, und während ich die Tarife online
verglichen hatte, ging ich zu jenem Anbieter, der mir am besten gefiel. Geht
nicht - gibt's nicht! So hieß es in der Werbung. Das hatte doch was. Wer war
das nur, der letztens den freien Markt verteufelt hatte? Ja, das waren noch
andere Zeiten, wo man als Bittsteller zur Post ging, dem damals einzigen
Anbieter und Gott und allen Heiligen danken musste, wenn man Gehör fand.
Postbeamter: Was wollen Sie?
Ich: Einen Telephonanschluss,
wenns recht ist.
Postbeamter: Na recht is net,
aber was soll's.
Ich: Zu freundlich. Einen
ganzen Anschluss. Ich habe drei Töchter.
Die Augen des Postbeamten
werden starr.
Postbeamter: Werdn's net
vorlaut. Ein halber tuts.
Ich: Danke vielmals.
Er drückte mir ein Paket
Formulare in die Hand. Damals musste man noch was wissen. Doch ich hatte
sämtliche Daten parat. Sozialversicherungsnummer? Kinkerlitzchen. Bis hin zum
Vermählungsdatum der unehelichen Cousine meiner Großtante zweiten Grades hatte
ich alles parat. Auch den Abstand zwischen Nasenwurzel und Haaransatz. Dazu
muss gesagt werden, es handelte sich nicht um Schikane. Ist dieser Abstand
nämlich größer als der zwischen Handwurzel und Ansatz Mittelfinger, den zu
heben es einen wohl oft gelüstet hätte, was man allerdings nicht wagte.
Heutzutage ist das anders. Da ist es ja schon fast eine Begrüßungsgeste, so ist
die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass man ein Terrorist ist. Damals wusste man
eben noch viel. Nachdem ich diese mindestens 100 Formulare samt Durchschlag,
Anhang, Verdoppelung und Verdreifachung ausgefüllt hatte, wagte ich einen
riskanten Vorstoß.
Ich: Wann kann ich mit dem
Anschluss rechnen?
Nochmals taxierte mich der
Postbeamte von oben bis unten.
Postbeamter: Sind's nicht so
vorlaut. Sie kriegen Ihren viertel Anschluss wenn Sie ihn kriegen.
Ich: Ich dachte einen halben.
Postbeamter: Halb halbes
Jahr. Ca. Kann auch später sein und das Wetter passt.
Ich: Und was zahle ich?
Postbeamter: Das werden Sie
schon sehen.
Eine harte Zeit hob an.
Telephananschlusskarenz durfte man sich nehmen, war man alleinstehend. Für
Ehepaare und Familien galt das Ablösungsprinzip. Immer übernahm einer den
Telephonanschlusswachdienst. Essens-, Schlafens- und Clozeiten beschränkte man
auf ein Minimum. Geschlafen wurde aufrecht und angezogen. Denn wie ein Spürhund
fand der Techniker der Post genau den Moment, in dem die Erschöpfung die
letzten Kräfte aufgezehrt hatte und Unaufmerksamkeit einzog. Er läutete, und wenn
man nicht innerhalb von zwei Sekunden zur Tür hastete und öffnete, war der
Techniker wieder fort. Das Spiel begann von vorne.
"Telephonanschluss?", fragte der Psychiater wissend, wenn man
schluchzend am Hörer hing, wohlgemerkt am öffentlichen Apparat, "Paranoia
oder Psychose?" So waren wohl auch die Psychiater daran interessiert das
Monopol beizubehalten, aber es fiel und heute habe ich innerhalb einer halben
Stunde nicht nur eine SIM-Karte in Händen, sondern noch vieles mehr. Wozu
brauch ich das eigentlich? Egal, es wird schon notwendig sein. Also falle ich
beim Service des entsprechenden Anbieters ein.
Servicemitarbeiter: Guten
Tag! Was kann ich für Sie tun?
Ich: Ich möchte eine Nummer:
Servicemitarbeiter: Gerne.
Wenn Sie nur hier Ihre Daten ausfüllen und hier unterschreiben. Sie wissen Ihre
Daten nicht? Kein Problem. Wir wissen das eh alles, nur Ihren Namen, wenn es
möglich wäre.
Ich: Ich wusste ihn, ich
schwörs Ihnen, gerade eben wusste ich ihn noch.
Servicemitarbeiter: Atmen Sie
ruhig durch, das wird schon. Sehr gut. Den Rest wissen wir, Kontodaten und PIN.
Ja, das war früher anders. Da
musste man noch sämtliche Daten selber wissen, und das geschah aus rein
pädagogischen Gründen. Man war gezwungen, und wir wissen ja alle, dass der
Mensch nur was lernt, wenn er muss. Von Natur aus will ja der Mensch dumm
bleiben.
Dann gehe ich mit meiner
SIM-Karte stolz nach Hause, und merke sofort, sie passt nicht. Die SIM-Karte
ist groß und das Loch klein. Am nächsten Tag fahre ich zu meinem neuen
Anbieter.
Ich: Grüß Gott!
Der starre Blick der
Servicemitarbeiterin geht an mir vorbei, als würde man mir ansehen, dass ich
bereits Kunde bin, oder sie meditiert. Ich nehme mir ein Herz.
Ich: Die SIM-Karte geht nicht
hinein. Die ist zu groß.
Wortlos nimmt sie die Karte,
drückt die kleine aus der großen und schon taucht sie wieder ab in weite Ferne.
Geht nicht - gibt's nicht!
Höflichkeit - gibt's nicht!
Es lebe der freie Markt.
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