Alles Leben ist Wirtschaft?
(1): Existenzbedürfnis Schlaf und künstliche Bedarfsweckung
Nichts liegt mir ferner als hier eine Lehrstunde in
Sachen Betriebs- und Volkswirtschaftslehre abzuhalten, nach dem Motto „Liebe
Kinder, hört gut zu und lernt“, sondern ich möchte ein paar Gedanken
zusammenfassen, die mir auf der Seele brennen, weil ich denke, dass wir ein
Spiel mitspielen, in dem uns vorgegaukelt wird, dass wir als Konsumenten
Mitspieler und Macher sind, dass wir die Regeln mitbestimmen können. Dabei sind
wir nichts weiter als Spielfiguren auf dem Spielbrett, das andere entworfen
haben, das ihren Zwecken dient und dessen Regeln uns verschleiert werden. Die
Grundlage dieses Spieles heißt: Markt. Jeder, der schon einmal einen Blick auf
die Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre geworfen hat, wird eines
feststellen. Ganz am Anfang stehen die Bedürfnisse, wobei unterschieden wird
zwischen Existenz-, Grund- und Luxusbedürfnissen. Dies ist insofern von
existenzieller Bedeutung, als dass es genau um diese Bedürfnisse geht, die so
etwas wie einen Markt schaffen und das Dasein von Betrieben und Unternehmen
rechtfertigen, die vorgeben diese Bedürfnisse zu befriedigen. Natürlich ist es einleuchtend, dass
existentielle Bedürfnisse befriedigt werden müssen. Sie sichern ganz banal das
Überleben. Jeder von uns muss atmen, schlafen, trinken, essen und sich warm
halten. Noch können wir ohne weiteres atmen und schlafen, ohne dazu einen Markt
zu benötigen, auf dem die entsprechenden Utensilien angeboten werden, obwohl
auch schon der Schlaf unter die Fittiche gewiefter Geschäftsleute gerät, die
erkennen, dass immer mehr unter Schlafproblemen, in welcher Form auch immer,
leiden. Schwupps, schon ist ein Markt da, angefangen bei der Pharmaindustrie,
die uns verspricht mit Hilfe einer grünen Tablette könnte man gut einschlafen
und mit Hilfe einer blauen gut aufwachen. Wie wir die blaue vor dem Aufwachen
schlucken, das wird auch noch gelingen
und wir werden es schlucken. Wundert mich, dass wir nicht schon längst
satt sind von all dem was uns die Industrie tagtäglich zu schlucken aufgibt,
dass wir es nicht schon längst wieder auskotzen, aber ja, da gibt es auch eine
Pille. Aber mit den Pillen alleine ist es noch nicht getan. Es soll ja Menschen
geben, die keine Pillen wollen, merkwürdigerweise, nun, dann kann man ja mal
einen anderen Polster, eine andere Matratze ausprobieren. Daneben wäre dann
noch ein Lufterfrischer oder ein Luftreiniger angesagt, vielleicht eine
Auralampe oder ein Stimmungsverbesserungsgerät, ein Traumstimulations- oder ein
Gedankenberuhigungsgerät. Und nicht zu vergessen, den Stimulator, der den eigenen
Schlaf-Wach-Rhythmus aussticht. Et voilà, schon haben wir einen neuen Markt für
die Dinge, die kein Mensch braucht und auf dem trotzdem viel Geld ausgegeben
wird. Werden nun die Unternehmer, die diesen Markt bedienen gefragt warum sie
das denn täten, so kommt zur Antwort, dass sie doch nur eine gegebene Nachfrage
bedienen. Wenn sie es nicht täten täte es jemand anderer. Aber könnte man den
Menschen nicht sagen, dass es helfen könnte das Fenster zu öffnen und die
Zimmer durchzulüften um besser zu schlafen, so dass all diese Apparaturen nicht
notwendig sind. Will ich nicht riskieren, dass ich zumindest verbal gekreuzigt
werde, werde ich es tunlichst lassen dies zu sagen, denn damit zerstöre ich
einen ganzen Markt. Was doch da alles dranhängt. Handelsbetriebe,
Zulieferbetriebe, Transportwirtschaft, Erzeugungsbetriebe und nicht zuletzt die
Entsorgungsbetriebe, die alle Menschen beschäftigen, die davon leben. Von den
Familien gar nicht zu reden. Wenn Du sagst, die Menschen sollten das Fenster
öffnen, dann zerstörst Du das Leben vieler tausend Menschen. Und nachdem ich
doch ein soziales Gewissen habe, darf ich das nicht sagen. Bloß noch eine Frage:
Warum gibt es eigentlich all die Industrie und den Handel für die Dinge, die
den Schlaf verbessern? Und die entsprechende Antwort kann nur sein, weil es
eine Nachfrage gibt. Und warum gibt es die Nachfrage? Weil das Bedürfnis
besteht. Und warum gibt es das Bedürfnis? Weil es ein Angebot gibt. Und warum
gibt es ein Angebot? Weil es eine Nachfrage gibt. Tja, da hat sich doch die
Katze ganz schön in ihrem Schwanz verbissen, und kommt nicht mehr los, als
hätte sie eine Kiefersperre.
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