Sonntag, 3. November 2013

Bildung, 03. November 2013:


In den rechten Händen

Mit großer Besorgnis musste selbst in einem mustergültigen Ort wie Mustermannshausen zur Kenntnis genommen werden, dass unsere Kinder was ihre Bildung betrifft, schwerwiegende Mängel aufzuweisen haben. Dies betrifft vor allem die sogenannten Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen. „Heimat bist Du großer Söhne“, heißt es nicht umsonst in unserer Bundeshymne, und neuerdings auch, wie wir aus zuverlässiger Quelle erfuhren, großer Töchter, die allerdings erst zu finden sein werden. Dem wollen wir gerecht werden und es als Auftrag sehen, diesem hehren Ideal nacheifern. In langwierigen Sitzungen mit einschlägigen Experten wurde nun ein Konzept ausgearbeitet, das es ermöglicht selbst das entlegenste Talent unserer Kinder, und zwar jedes Einzelnen, zu entdecken und zu fördern. Zunächst wurde angedacht mit den Schulkindern zu beginnen, doch zurecht kam der Einwand, dass dann die gesamte Kindergartenzeit verloren wäre, drei Jahre Lebenszeit, unnütz verschwendet. Doch wieder erhob sich eine Frage, was ist mit den ersten drei Lebensjahren? Zuletzt konnte man sich darauf einigen, dass vom ersten Moment an die zukünftigen Bürger unter eine rigorose Führung zu nehmen seien. Es ist angeraten diese dem schädlichen Einfluss bildungspolitisch und pädagogisch Unqualifizierten, sprich Eltern und diversen anderen Anverwandten, zu entziehen und diese den dafür entsprechend Ausgebildeten entsprechend anzuvertrauen. Nun stößt selbst das best erarbeitete Konzept manchmal an natürliche Grenzen, wobei die erste darin besteht, dass das noch ungeborene Kind vor der Geburt keinen Ausgang erhält. Deshalb ist es notwendig, dass die Mütter bei diesen ersten Unterweisungen zugegen sind. Hierbei wird der kommende Mensch mit klassischer Musik beschallt und in diversen anderen Techniken unterrichtet, durch einfaches Zuhören. Wir garantieren, dass ab nun jedes Neugeborene weiß, dass das „Konzert für zwei Klaviere“ von Mozart im Köchelverzeichnis Nr. 365 deponiert ist. Des weiteren kann es bereits nach dem Weg fragen, auf englisch und eine zweite Fremdsprache, wenn es denn könnte. Nach der Geburt nun kommen die Kinder in die Babyschule, wobei die Mütter für das leibliche Wohl sorgen, die Bildungsexperten hingegen für das mentale. Mit drei Jahren wechseln sie in die Kinderschule, was bisher Kindergarten hieß. Tagtäglich sind sie dort von 9.00-19.00 Uhr zugegen, so dass sie sämtlichen schädlichen Einflüssen entzogen sind, die oben schon erwähnt wurden. In diesem Alter zählen zu diesen dann noch gemeinsame Familienspiele, Ausflüge oder Feiern. Alles Dinge, die den Geist des Heranwachsenden ablenken, und in eine falsche Richtung treiben, denn das Leben ist nicht Kaiserschmarrn und Gugelhupf sondern trocken Brot und saure Gurken. Sämtliche Leistungen sind normiert durchzuführen. Bisher gab es immer Ausreißer, die dem Gemeinschaftsgedanken abträglich waren. Ab nun ist jede Tätigkeit quasi synchron auszuführen, wie bei den Synchronschwimmerinnen, womit garantiert ist, dass jeder Schüler und jede Schülerin das gleiche Lernniveau erreicht. Gestrichen werden freies Spiel und freie Bewegung, ebenso wie außerhäusliche Betätigungen, die nicht strikt normiert werden können. Mit diesem Konzept wird es uns gelingen innerhalb von nicht einmal 10 Jahren eine 100%ige Alphabetisierung zu erreichen, und damit Vorreiter zu werden für eine mit Bildung verseuchten Gesellschaft. Erst wenn jeder sieht, dass dies funktioniert, werden alle Eltern von Herzen gerne zustimmen, wenn die Kinder gänzlich von ihnen isoliert werden um an einem geheimen Ort, nach streng wissenschaftlichen Kriterien erzogen zu werden. Denn schließlich geht es um das Wohl der ganzen Gesellschaft, und dieses muss doch wohl mehr zählen, als das einzelne, das sich dem gemeinsamen gefälligst unterzuordnen hat, freudig und mit einem Lächeln. 

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