Ungehorsam gehört bestraft
Seit Jahren versuchen wir uns endlich gut zu benehmen.
Überall wurde ein großes I eingefügt, wo es notwendig erschien. Aus Studenten
wurden StudentInnen, aus Wissenschaftlern WissenschaftlerInnen und aus Sandlern
SandlerInnen. Denn – wie ich aus zuverlässigen Quellen erfahren habe – besteht
die Menschheit aus Männern und Frauen, und von den Frauen gibt es einige,
manche sagen mehr als die Hälfte zählen sich dazu. Aber selbst, wenn es eine
Minderheit wäre, wir schützen Minderheiten, wie es sich gehört. Genauso wie
Mehrheiten. Es kann nicht länger angehen, dass Frauen wie Dreck unter den
Teppich gekehrt werden. Dass es im richtigen Leben passiert, nun, das können
wir nicht beeinflussen, aber zumindest verbal lassen wir das nicht mehr zu.
Denn Wirklichkeiten schaffen Worte, heißt es, oder so ähnlich, aber Sie wissen
eh was ich meine, und deshalb wurde diese Sprachregelung eingeführt.
Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben Frauen aus der
Unsichtbarkeit in die Sichtbarkeit zu führen. Wozu das auch immer gut sein
soll, es muss so sein, sonst krieg ich heute kein ordentliches Abendessen.
Natürlich haben wir mit Widerstand gerechnet gegen solche gravierenden
Veränderungen. Den gibt es immer. Aber mit der Zeit, da haben sich die Menschen
immer noch an alles gewöhnt, wie an die lückenlose Überwachung oder den
Untergang der Privatsphäre. Das war sogar viel leichter durchzusetzen, doch
gegen die geschlechtsneutralen Formulierungen, da sträuben sie sich alle. Bis
jetzt haben wir es im Guten probiert, doch wir mussten erleben, dass das nicht
goutiert wird. Deshalb ist es an der Zeit quasi den zweiten Gang einzulegen und
Missachtung mit Strafe zu belegen.
Angefangen wird dabei an den Fachhochschulen, denn gerade
die zukünftigen Akademiker sind Meinungsmacher. Sie müssen mit gutem Beispiel
vorangehen. So wird die ordnungsgemäße Einhaltung der richtigen Diktion ein
Teil der Beurteilung der Abschlussarbeit respektive Abschlussprüfung. Wird
diese Vorgabe übergangen, so ist die Arbeit bzw. die Prüfung als negativ zu
beurteilen. Sobald sich das eingebürgert haben wird, dehnen wir die
Strafmaßnahmen auch auf die Universitäten, die Schulen bis hin zu den
Kindergärten aus. In Letzteren fällt zwar die Schriftlichkeit weg, da diese
kleinen Menschen noch nicht schreiben können, wie mir gesagt wurde, aber es ist
aus ihrem Verhalten und ihren verbalen Äußerungen zu entnehmen. Wenn dies immer
noch nichts fruchten sollte – was ich allerdings stark bezweifle – dann
schalten wir hoch in den dritten Gang und versehen notorische
Wiederholungstäter mit Freiheitsstrafen und der Auferlegung sozialer Dienste.
Auch dies ist als rein pädagogische Maßnahme zu sehen, denn dann werden die
Missetäter endlich verstehen, was für einen Schaden sie dem gesamten
Sozialgefüge mit ihrer Sturheit zufügen. Und wenn das alles noch nichts nützt,
dann kommen die immer noch Straffälligen wahlweise zur Fremdenlegion oder eine
Woche in die Wohngemeinschaft der zukünftigen Topmodels, denn dort lernen sie
Respekt vor der Würde der Frau, ihrer Grazie, Ästhetik, doch vor allem ihren
mentalen Fähigkeiten. Spätestens dann werden sie nie wieder darauf vergessen,
in ein Nomen gehört ein Binnen-I. Notfalls einmal zu viel als einmal zu wenig.
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