Montag, 12. Mai 2014

Gesellschaftliche Normen, 12. Mai 2014:

Die Frau mit dem Bart


Wir haben ganz bestimmte Bilder im Kopf wie ein Etwas hinter einer Bezeichnung auszusehen hat. Ein Tisch ist etwas, das mit vier, wahlweise mit drei, Füßen am Boden steht, mit einer Platte obendrauf, wo man was draufstellen kann oder legen oder sonstiges. Ein Mensch hat zwei Beine und zwei Arme und einen Kopf und dazwischen einen Rumpf, mit Haaren am Kopf und Zehen an den Füßen, mit einem Hals unter dem Kopf und mit Fingern an den Händen. So könnte man mal kurz beschreiben wie ein Mensch auszusehen hat. Natürlich gibt es gewisse ethnische Differenzierungen, aber wer bei uns dazugehören möchte, der zieht sich anständig an, so wie es sich gehört, bedeckt die Stellen des Körpers, die bedeckt werden müssen und achtet möglichst nicht aufzufallen. Natürlich kann keiner was dafür, wenn er aufgrund seiner Größe heraussticht. Das lassen wir doch gerade mal noch gelten. Eigentlich kann ja auch keiner was dafür, wenn er durch eine Laune der Natur einen körperlichen Defekt aufweist. Trotzdem muss man ja da nicht unbedingt anstreifen, denn der Umgang mit einem Menschen, dem ein Bein fehlt, der könnte doch abfärben, und wer weiß, vielleicht wacht man eines Tages auf und das Bein ist einem abgefallen, aus bloßer Solidarität. Dieser Gefahr muss man sich nicht unbedingt ausliefern. „Arm, ja arm sind sie, aber ich habe ja gespendet. Damit habe ich meinen Beitrag erfüllt“, heißt es, und der Bogen wird größer, wenn man ein gutes Gewissen hat. Aber dann sind die körperlichen Merkmale, die sehr wohl verschuldet sind, und zwar, selbst verschuldet sind, so wenn man übergewichtig ist, oder untergewichtig. Da lässt sich doch schon was dagegen tun, und die sind dann wirklich selber schuld. Ein Blick genügt, und wir wissen über alles ganz genau Bescheid, ein Blick, und das Urteil ist gefällt, natürlich ohne dass auch nur die Möglichkeit besteht, dass wir uns irren könnten. Der Bettler, der auf der Straße sitzt, der ist faul. Und der mit dem Burn-out, der ist nur arbeitsscheu, und der Aussteiger auf seinem Selbstverorgerhof in der Natur, der darf sich nicht wundern, wenn er ausgeschlossen wird. Schließlich untergräbt er das kapitalistische System mit seiner Missachtung von Reichtum und Konsum.
Nun ist es aber nicht damit getan, dass ein Mensch ein Mensch ist und wir ein genaues Bild von diesem haben. Der Mensch wird weiters differenziert. Nein, so seicht sind wir dann doch nicht in unseren Ansichten. Es gibt durchaus Differenzierungen. Darauf können wir doch ungeheuer stolz sein! Da ist zunächst die Differenzierung zwischen Mann und Frau. Nicht, dass sich an der körperlichen Zusammensetzung viel ändern würde, nur gewisse Merkmale, die müssen unbedingt vorhanden sein, damit ein Mann ein Mann oder eine Frau eine Frau ist. Ich meine damit Merkmale wie breite Schultern, die tiefe Stimme bei Männern, und die wohlgeformte Taille, die hohe Stimme und die Präferenz für ein gepflegtes Äußeres bei Frauen. Das muss unbedingt sein. Und vor allem es muss sofort erkennbar sein. Man darf nicht herumrätseln müssen. Es ist alles genau reglementiert. Und eines der Dinge, die unverbrüchlich gelten ist, dass Männer einen Bart haben und Frauen nicht. Und wenn jetzt da ein Mensch daherkommt, und eine Figur hat wie ein Model, Haare wie eine Femme fatale, Augen wie eine Schönheitskönigin, dann darf die keinen Bart haben. Das stößt ab. Das passt nicht. Natürlich ist unser Bild ungebrochen richtig, und natürlich ist auch dieser oder diese, was wir ja nun nicht mehr genau wissen, ein Mensch, aber eben nicht angepasst an das, was vorgegeben ist wie ein Mann oder eine Frau auszusehen hat. Die Eindeutigkeit geht verloren. Eine Frau mit einer eindeutigen Insignie ein Mannes, das darf nicht sein, denn eher machen wir den Menschen kaputt, bevor wir unser Weltbild kaputt machen lassen, denn das stimmt. Und eine Frau hat keinen Bart.

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